26. November 2023Peter Pionke
Michael Wessel: 500 Insolvenzen in der Pflegebranche
Viele Rentner verarmen und werden spätestens im Fall einer Pflegebedürftigkeit zu Sozialhilfeempfängern. Seit Jahren erzählt die Politik der Bevölkerung, die Pflegekassen seien leer, und erhöht ständig die Beiträge der Sozialversicherung. Für viele Menschen sind derzeit in Kombination mit Inflation und Energiekosten die erneut steigenden Kranken- und Pflegekassenbeiträge kaum noch bezahlbar.
„Die Politik geht komplett an der Realität vorbei“, sagt Michael Wessel. Acht Monate vor Einführung der Tarifpflicht hatte Wessel im Frühjahr 2022 bereits gewarnt, dass Pflege bald nicht mehr leistbar sein werde. Er bat deshalb die Mitbewerber, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen. Doch es bestand offfenbar kein Interesse.
Seine Prognose damals: „Es wird viele Insolvenzen geben, kleinere Betriebe können diese Kosten nicht auffangen. Größere kompensieren sie eine Zeit lang, werden aber auch Minus machen, weil die Refinanzierung nicht gesichert ist.“
Und genau das tritt jetzt ein: 500 Insolvenzen verzeichnet die Pflegebranche bereits in diesem Jahr bundesweit. Sogar große Träger veröffentlichen ihr enormes wirtschaftliches Minus und die noch schlechteren Prognosen für das kommende Jahr. Auch begründet mit steigenden Energiekosten, aber vor allem mit dem Mangel an Refinanzierung der Pflege-Mehrkosten.
Der Pflege-Experte: „Für die gesamte Welt scheint Geld da zu sein. Aber alte Menschen und Pflegebedürftige haben keinerlei Lobby – und offenbar auch keinen Stellenwert mehr in dieser Gesellschaft. Obwohl sie dieses Land nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut und ihm zu Reichtum und uns allen zu Wohlstand verholfen haben.“
Auch Politiker haben Eltern
Eine Entwicklung, die seit Jahren erschreckende Ausmaße annehme, so Wessel. Mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt der Wuppertaler Pflegedienst in den Bereichen Pflege-Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte, Service-Wohnen für Senioren, in der Verhinderungspflege sowie im Selbstbestimmten Wohnen für behinderte junge Menschen und der 24-Stunden-Assistenz.
Michael Wessel bezieht klar Stellung: „Private Dienstleister sollen offenbar in den Bankrott getrieben und die Pflege letztlich verstaatlicht werden, anders ist eine solche Politik – die auch klar zu Lasten der Pflegebedürftigen geht – nicht zu deuten.“
Denn auch das neue Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) sieht eine Erhöhung der staatlichen Zuschüsse nur für vollstationäre Unterbringungen vor, nicht aber für ambulant betreute Pflege-Wohngemeinschaften. Für Wessel ein klares Signal, in welche Richtung es gehe.
„In einer Gesellschaft, die immer älter wird, und in einem Sozialsystem, aus dem immer mehr Menschen Leistungen beziehen, ohne etwas einzuzahlen, müssen Unternehmen der Pflege auskömmlich finanziert werden. Die Pflegekassen sollten den jetzigen finanziellen Deckel der aktuellen Pflegegrade deutlich erhöhen“, fordert Michael Wessel.
Zudem dürfe es mit Blick auf rund tausend Milliarden prognostizierten Steuereinnahmen in 2024 weder Altersarmut noch Pflegenotstand geben. Bereits Anfang 2023 forderten Kassen und Sozialverbände daher finanzielle Unterstützung aus Steuermitteln, damit nicht nur die Beitragszahler zur Kasse gebeten werden.
Michael Wessel bringt es auf den Punkt: „Auch Politiker haben Eltern, die sich vielleicht nicht alle rund 5.000 Euro pro Monat für einen Pflegeplatz leisten können.“
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