2. Dezember 2023

Jan Filipzik: Zurück in der Zivilisation

Sie sind auf dem Weg, sich ihren grossen Traum zu erfüllen - die Unternehmensberaterin Lena Lichterbeck und der Berater Jan Filipzik, Ex-Chefredakteur des Wuppertaler Magazins "talwärts". Die beiden haben ihre gemeinsame Wohnung aufgegeben und sind unterwegs auf großer Weltreise. Dabei begleiten wir Lena und Jan. Gehen SIE mit auf große Reise - wenn SIE mögen...

Lena Lichterbeck und Jan Filipzik auf den Spuren der amerikanischen Musik-Geschichte – © reisen-ist.jetzt

Die Great Plains mit ihren endlosen Weiten lassen wir hinter uns – die kommenden Tage werden städtischer. Das beginnt in Oklahoma, wo wir morgens noch einmal in den Wilden Westen eintauchen und uns das örtliche Cowboy-Museum anschauen. Was zunächst wie eine seltsame Mischung aus Kunstwerken, Verkauf, Artefakten und Schaubildern anmutet, ist am Ende überraschend informativ.

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Ich lerne – was ich mir mit Blick auf die Geschichte des Landes hätte denken können – dass damals einer von vier Cowboys schwarz war, noch viel mehr mexikanische Wurzeln hatten und die Weißen, die Bücher und Filme prägen, tatsächlich den geringsten Anteil ausgemacht haben.

Die Villa eines ehemaligen Anwalts in Ford Smith, in der auch der Gerichtssaal untergebracht ist – © reisen-ist.jetzt

Vom Museum aus machen wir einen Abstecher nach Tulsa, wo Lena ein paar ehemalige und künftig vielleicht wieder aktuelle Arbeitskollegen trifft. Ich dagegen habe auf dem Parkplatz einen alten Ford Stingray entdeckt und der Besitzer bietet mir spontan an, gemeinsam eine Runde zu drehen. So ist jeder zufrieden.

Die Nacht verbringen wir in Fort Smith, vor allem weil es auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel Memphis liegt. Unterwegs werden die Bäume mit jedem Kilometer Richtung Osten wieder mehr, die Sonne scheint und wir erleben ein paar perfekte Herbsttage. Bevor wir am nächsten Morgen nach Memphis aufbrechen, schauen wir uns die Stadt an.

Jan Filipzig als „Richter“ im alten Gerichtsaal in Ford Smith – © reisen-ist.jetzt

Wir besichtigen das namensgebende Fort und unterhalten uns lange mit einem Freiwilligen, der früher als Deputy gearbeitet hat, sich im Detail mit der Lokalgeschichte auskennt und uns allerlei spannende Geschichten erzählt, die nicht auf den zahlreichen Schautafeln stehen.

Passend zum Thema schauen wir uns anschließend eine alte viktorianische Villa an, in der zum Ende des 19. Jahrhunderts einer der Anwälte gelebt hat, der im benachbarten Fort, in dem auch der Gerichtssaal untergebracht war, mal mehr und mal weniger erfolgreich versucht hat, den Gefangenen zu einer milderen Strafe zu verhelfen.

Was mich vor allem beeindruckt, ist die Gleichzeitigkeit der Dinge. Während es auf der einen Seite die Farmer und Cowboys gab, die in ärmlichen Verhältnissen gelebt, wenig besessen, nachts oft draußen geschlafen und ein Leben geführt haben, wie wir es aus zahlreichen Filmen kennen, haben in den Städten die wohlhabenden Bürger ein mondänes Leben geführt.

Der Eingang zu berühmten Beale Street in Memphis – © reisen-ist.jetzt

Mit Teestunden, Klaviermusik, schickem Geschirr und mit all seinen Annehmlichkeiten gar nicht so verschieden von dem, wie wir es heute kennen.

Fort Smith ist spannend, doch gefreut habe ich mich besonders auf unser nächstes Ziel: Memphis, die Geburtsstadt des Rock’n’Rolls, Heimat des Blues, von Elvis und Entdeckungsort zahlreicher Künstler, wie Johnny Cash und Jerry Lee Lewis. Doch zunächst bin ich enttäuscht, denn gerade von der Atmosphäre der Stadt hatte ich mir mehr versprochen.

Stattdessen erwarten uns leblose Straßen, ein paar heruntergekommene Geschäfte, zahlreiche Obdachlose und eine Stimmung, die insgesamt eher bedrückend ist. Das ändert sich auch nicht im sehr sehenswerten Museum of Civil Rights, das seinen Platz in dem Hotel hat, auf dessen Balkon vor mehr als 50 Jahren Martin Luther King erschossen wurde. Hier zu stehen, ist etwas Besonderes – und gleichzeitig unfassbar traurig.

Das berühmte Sun Record-Studios in Memphis – © reisen-ist.jetzt

Überhaupt die ganze Geschichte, nicht nur, aber auch dieses Landes: Ausgrenzung, Vertreibung, Unterdrückung, Ausbeutung und Versklavung, wohin man schaut. Überall sieht man unfassbares Leid und es wird mir immer unbegreiflicher, wie Menschen sich gegenseitig soNach dem Museum brauche ich ein lebensbejahendes Kontrastprogramm, weshalb wir eine Tour durch das berühmte Aufnahmestudio von Sun Records machen.

Hier, wo auch heute noch Aufnahmen stattfinden, ist alles noch genauso wie vor dreißig, vierzig und fünfzig Jahren – der Ort ist randvoll mit Geschichte. An den Wänden hängen zahlreiche Erstpressungen bekannter Schallplatten, hier ist – interessanterweise von der Sekretärin – Elvis entdeckt worden, dessen Mikrofon ich kurze Zeit später in der Hand halte.

Auch Evis Preslwey hat bei Sun Records seine Hits aufgenommen – © reisen-ist.jetzt

Johnny Cash hat seine ersten Platten hier aufgenommen, auf dem gleichen Boden gestanden wie ich und in einer ruhigen Minute auf die gleichen Wände gestarrt. Carl Perkins war lange Zeit bei Sun Records unter Vertrag, später nutzten Künstler und Bands wie Bruno Mars und U2 das Studio, wobei letztere ihr Schlagzeug dagelassen haben, das heute noch das offizielle Studio-Schlagzeug ist und von den meisten Musikern für ihre Aufnahmen genutzt wird. etwas antun können.

Um den Tag musikalisch abzurunden, besuchen wir abends den B.B. King’s Blues Club in der bekannten Beale Street, die gesäumt ist mit Restaurants, Bars und anderen Clubs, aus denen lautstark der Sound der Stadt dröhnt. Mit einem Bier in der Hand setzen wir uns in die Nähe der Bühne und konzentrieren uns auf die Band, die einen herausragenden Job macht.

Der legendäre B.B. King’s Blues Club – © reisen-ist.jetzt

Und für einen kurzen Moment kommt in diesem Augenblick alles zusammen: Die Geschichte des Landes mit all ihren Facetten, mit all ihrer Dramatik und den unzähligen einzelnen Schicksalen, die es letztlich mit sich gebracht haben, dass wir jetzt hier sitzen und dieser Musik lauschen können.

Wie ein roter Faden breitet sich alles vor mir aus, von den Anfängen der ersten Siedler bis zu diesem Moment, alles ist auf magische Weise miteinander verbunden, in einem endlosen Fluss, der unaufhaltsam Richtung Zukunft fließt.

Zwei Nächte bleiben wir in Memphis, dann fahren wir weiter. Die Zeit läuft und bis Miami – von wo aus wir Ende des Monats nach Kuba fliegen – ist es noch ein weiter Weg. Und auf diesem machen wir mittags einen kurzen Stopp im Mississippi History Museum in Jackson, bevor wir nach mittlerweile 5.000 Kilometern auf den Straßen der USA unser nächstes Ziel erreichen: New Orleans.

Ein wunderschönes Gebäude in New Orleans – © reisen-ist.jetzt

Nach der anfänglichen Enttäuschung in Memphis, habe ich meine Erwartungen heruntergeschraubt, was allerdings nicht nötig gewesen wäre. New Orleans ist eine unglaubliche Stadt. Alte Bäume und Palmen säumen die Straßen, in den Vororten stehen prachtvolle Villen aus den unterschiedlichsten Stilepochen, wir sehen die bekannten Shotgun-Häuser und vieles ist noch erhalten, weil die Stadt im amerikanischen Bürgerkrieg nach wenigen Tagen kampflos übergeben wurde.

Während Memphis auf mich größtenteils ausgestorben wirkte, strotzt New Orleans vor Menschen und Leben. An jeder Ecke ist etwas los, auf den Straßen wird Musik gespielt, Künstler unterhalten die Passanten, alte Straßenbahnen quietschen auf den Schienen, in der Innenstadt ist die Architektur mit ihren französischen und spanischen Einflüssen einzigartig.

Impressionen von New Orleans mit der nostalgischen Straßenbahn – © reisen-ist.jetzt

Die älteste Basilika der USA steht hier, ebenso wie die vermutliche älteste Bar des Landes, kulinarisch gibt es viel zu entdecken, wie zum Beispiel die traditionellen Po-Boys – Sandwiches, die auf ganz unterschiedliche Art belegt werden können.

Von allen Städten, die wir bislang in den USA gesehen haben, gefällt mir New Orleans mit Abstand am besten. Weil es so viel zu sehen gibt, weil sie lebendig ist, weil sie sauber und nicht heruntergekommen ist und auch, weil wir uns hier nachts und im Dunkeln – im Gegensatz zu Los Angeles und Memphis – sicher und wohl fühlen.

Ich bin kurz davor vorzuschlagen, noch eine Nacht zu bleiben, doch gleichzeitig weiß ich, dass das unseren Zeitplan sprengen würde. Stattdessen machen wir uns nach zwei Nächten weiter auf den Weg Richtung Osten – bis Miami sind es von hier aus, je nach Route, noch rund 1.000 bis 2.000 Kilometer.

Hier spielt die Musik in New Orleans – © reisen-ist.jetzt

Unsere Fahrt führt uns durch ein riesiges Waldgebiet, durch kleine Städte, in denen viele Fahnen wehen, noch mehr Kirchen stehen und Farmer ihre Erzeugnisse aus ihren Pickups heraus am Straßenrand verkaufen.

Und dann, fast schon plötzlich, sind wir wieder am Meer, das uns nach langer Pause am Golf von Mexiko mit kristallklarem und fast wellenlosem Wasser empfängt und uns die kommenden Wochen unserer Reise begleiten wird. Florida und Kuba warten auf uns.

Jan Filipzik

03. Dezember 2023

In Lenas & Jans Reiseblog „reisen-ist.jetzt – Unterwegs ist da, wo wir sind“ finden Sie noch viel mehr Fotos, Infos und Impressionen:

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Die berühmte St. Louis Cathedral in New Orleans – © reisen-ist.jetzt

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