15. Dezember 2023

In Havanna ist die Zeit stehen geblieben

Sie sind auf dem Weg, sich ihren grossen Traum zu erfüllen - die Unternehmensberaterin Lena Lichterbeck und der Berater Jan Filipzik, Ex-Chefredakteur des Wuppertaler Magazins "talwärts". Die beiden haben ihre gemeinsame Wohnung aufgegeben und sind unterwegs auf großer Weltreise. Dabei begleiten wir Lena und Jan. Gehen SIE mit auf große Reise - wenn SIE mögen...

Impressionen von Havanna (Kuba) – im Hintergrund die Kuppel des Kapitols – © reisen-ist.jetzt

Im Landeanflug, beim Blick aus dem Fenster, bekomme ich einen ersten Eindruck: Die Berge und Hügel sind satt und grün, dazwischen liegen zahlreiche kleine Felder in den unterschiedlichsten Schattierungen, denen man ansieht, dass sie vor allem von Kleinbauern bewirtschaftet werden.

Auf den wenigen Straßen dazwischen fahren so gut wie keine Autos – und selbst die vereinzelten Highways sind nahezu leer. Kuba ist arm und sozialistisch und das seit inzwischen rund 60 Jahren bestehende Embargo der Amerikaner tut sein Übriges. Vieles hier, stelle ich in den kommenden Tagen fest, fühlt sich so an und sieht so aus, als wäre die Zeit stehen geblieben.

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Wobei das, was wir gerade tun, eigentlich verboten ist: als Tourist von Amerika nach Kuba reisen. Auch das ist Teil des meiner Meinung nach unsinnigen Embargos, wobei das Verbot eher auf dem Papier zu bestehen scheint. So gibt es eine Ausnahme, wenn man angibt, mit seiner Reise die Menschen in Kuba unterstützen zu wollen. Und von den zahlreichen Angaben und Nachweisen – bestehende Krankenversicherung, eingeführte elektronische Geräte, etc. – die man angeblich bei der Einreise erbringen muss, ist nichts zu sehen.

Lena Lichterberg und Jan Filipzik geniessen ihre Zeit in Havanna – © reisen-ist.jetzt

Als wir nach der Landung kurz vor der Passkontrolle an einen Holztisch kommen, an dem eine Kubanerin ausgefüllte Zettel einsammelt, die wir allerdings nicht haben, winkt sie uns mit einem Schulterzucken weiter. Die Amerikaner sind froh, dass wir gehen, die Kubaner freuen sich, dass wir kommen – so könnte man es zusammenfassen.

Denn nach wie vor sind die Menschen auf Kuba auf den Tourismus angewiesen, der allerdings noch längst nicht wieder das Niveau wie vor der Corona-Pandemie erreicht hat. Touristen bringen die dringend benötigten Dollar und Euros ins Land und helfen den Menschen so, über die Runden zu kommen.

Kein Wunder also, dass man auf den Straßen an jeder Ecke gefragt wird, ob man nicht ein paar Dollar gegen Pesos tauschen möchte. Wobei dieser Tausch für beide Seiten Vorteile hat, denn die Sache mit dem Geld ist kompliziert in Kuba. Nachdem das lange bestehende System mit zwei Währungen, von denen eine (CUC – Cuba Peso Convertible) ausschließlich für Touristen war, abgeschafft wurde, gibt es jetzt nur noch kubanische Pesos (CUP).

Buntes Treiben auf den Straßen von Havanna – © reisen-ist.jetzt

Die werden an den Geldautomaten und an offiziellen Wechselstuben für den fixen Kurs von 110 Pesos für einen Dollar herausgegeben beziehungsweise getauscht. Das wiederum macht das Land aufgrund der grassierenden Inflation und den ständig steigenden Preisen relativ teuer – und ein Abendessen für zwei Personen kostet umgerechnet schnell 60 Dollar und mehr.

Anders sieht es aus, wenn man Dollar mit ins Land bringt. Auf inoffiziellen Wegen werden diese nämlich zum Kurs von bis zu 250 Pesos für einen Dollar getauscht, was sämtliche Preise auf einen Schlag mehr als halbiert. Und das Land wiederum verhältnismäßig günstig macht – jedenfalls solange man noch mitgebrachte Dollar hat. Das war dann auch der Grund, warum wir kurz vor dem Abflug aus Miami noch hektisch ein paar Geldautomaten abgeklappert haben.

Gleichzeitig führt das alles dazu, dass wir nach insgesamt drei Monaten in Südkorea, Japan und den USA, hier auf Kuba wieder in der Rolle der Reichen sind. Ganz ehrlich – es ist ein Gefühl, das ich nicht vermisst habe, zumal an jeder Ecke zu sehen ist, dass es den meisten Menschen hier nicht gut geht. Die offiziellen sozialistischen Löhne – Lehrer und Polizisten verdienen beispielsweise etwa 25 Dollar im Monat – sind so niedrig, dass man kaum davon leben kann.

Der Zahn der Zeit hat an Wohnhäusern in Havanna genagt – © reisen-ist.jetzt

Und vor den Läden bilden sich oft lange Schlangen, denn viele Lebensmittel und vor allem Medikamente, sind nur schwer oder auch gar nicht zu bekommen. Und wenn es sie doch einmal gibt, sind sie entsprechen begehrt. Dieser allgegenwärtige Mangel zeigt sich auch in den Restaurants, wo es ratsam ist, den Kellner einfach zu fragen, was derzeit an Gerichten verfügbar ist.

Es gibt also gute Gründe, warum vieles in Kuba nach wie vor auf Tauschgeschäften beruht – Arbeit gegen Essen, eine Hose gegen ein paar Schuhe, ein Kunstwerk gegen ein paar Steine für die neue Wand im Wohnzimmer. Alternativ lassen sich viele Dinge mit etwas Glück auch auf einem der Flohmärkte finden, wo neben Kleidung und Krimskrams auch Seife, Öl, Essig, Deo und andere Dinge des täglichen Bedarfs verkauft werden.

Und dann gibt es da noch die Läden für Touristen. Shops, in denen man nur mit Kreditkarte und Dollar zahlen kann und die damit für die meisten Einheimischen unerschwinglich sind. Dort ist die Auswahl etwas größer, wobei es von jedem Produkt meist exakt eine Sorte gibt, die dann oft ein ganzes Regal ausfüllt.

Das Capitol in der karibischen Metropole Havanna – © reisen-ist jetzt

All das – ebenso wie die zahlreichen, aufgrund des Embargos, geblockten Webseiten und Apps, die sich mit einer kostenlosen VPN-App aber leicht entsperren lassen – steht einer Reise nach Kuba definitiv nicht im Weg. Man sollte sich nur darauf einstellen, dass das Land anders ist als andere Länder, die man zuvor bereist hat, dass man Dinge wie Dollar, Ibuprofen, Sonnenschutz und Mückenspray einfach ausreichend mitbringen sollte und, dass es den Menschen hier wirklich nicht gut geht.

Was in Teilen umso trauriger ist, weil die oft überschwängliche kubanische Lebensfreude an allen Orten sichtbar ist und manchmal nur so aus den Gassen von Havanna heraussprudelt. Denn Havanna ist Leben – überall sind Menschen. Kapellen und kleine Musikgruppen spielen auf den zahlreichen Plätzen, vor Bars und Restaurants, es wird spontan getanzt und laut gelacht.

Eine Grundschule macht ihren Sportunterricht im Freien auf einem Platz zwischen den Touristen, im Schatten malerischer Fassaden der alten und teilweise aufwändig restaurierten Gebäude. Alte Autos aus den 50er und 60er Jahren schieben sich laut röhrend durch die Straßen, teils dienen sie als Taxen oder für Stadtrundfahrten.

Lena Lichterbeck gönnt sich einen kühlen Drink – © reisen-ist.jetzt

Rum, entweder pur oder in Form von Cocktails, ist allgegenwärtig, die Portionen in den Restaurants sind meist riesig und kaum zu schaffen, und ein großer Teil des Lebens der Kubaner spielt sich draußen ab, wo die Menschen sich auf Bänken in schattigen Parks treffen und zusammen quatschen und Musik hören.

An einem der ersten Tage machen wir eine Walking Tour mit Nicolas, der schon unzählige verschiedene Jobs hatte, um über die Runden zu kommen und uns vieles über das kubanische Leben, die Mentalität der Menschen, aber auch die Probleme des Landes erzählt, was wir so in keinem Reiseführer gefunden hätten.

Auch zu besichtigen gibt es in Havanna eine Menge, wobei zur Zeit unseres Besuchs vieles, wie zum Beispiel das Revolutionsmuseum, das Stadtmuseum oder auch die nationale Kunstsammlung, aufgrund von Renovierungsarbeiten, nicht oder nur teilweise geöffnet sind. Ohnehin finde ich es am spannendsten, mich einfach durch die Gassen treiben zu lassen.

Das weltberühmte Hotel Central – © reisen-ist.jetzt

An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken. Wir fahren mit einer kleinen Fähre auf die andere Flussseite, streifen durch die Überreste der alten Festungsanlage des Morro Castle, laufen bis zum weltberühmten Hotel Nacional, besichtigen das Kapitol und sitzen in schattigen Innenhöfen, wo wir ganz in Ruhe ein paar Seiten lesen.

Denn nach drei Monaten, in denen wir fast nirgendwo länger als eine oder zwei Nächte geblieben sind, wollen wir hier auf Kuba wieder deutlich langsamer unterwegs sein. Für ein paar Tage an einem Ort ankommen. Hier sein, nicht viel tun, stattdessen entspannen, ausruhen, ausschlafen. Und dazu gerne einen eiskalten Mojito mit kubanischem Rum, der am Nachmittag die schwüle Hitze des Tages vertreibt.

Jan Filipzik

16. Dezember 2023

In Lenas & Jans Reiseblog „reisen-ist.jetzt – Unterwegs ist da, wo wir sind“ finden Sie noch viel mehr Fotos, Infos und Impressionen:

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Viele Autos aus den 50er und 60er Jahren verkehren noch auf Kuba – © reisen-ist.jetzt

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