20. Februar 2024Peter Pionke
Sicherheitstechnik: Forschen, prüfen und beraten
Autor Uwe Blass hat sich im Rahmen der beliebten Uni-Reihe „Transfergeschichten“ mit Prof. Dr.-Ing. Katharina Löwe über das Fachgebiet Prozess- und Anlagensicherheit und ihre neue Aufgabe in der Bundesanstalt für Materialforschung und-prüfung (BAM) in Berlin unterhalten.
Sie leiten in der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik das Fachgebiet Prozess- und Anlagensicherheit. Das ist noch ein sehr junges Fachgebiet, oder?
Katharina Löwe: „An der Universität Wuppertal ist das Fachgebiet Prozess- und Anlagensicherheit (PAS) in der Tat noch relativ jung. Die Bergische Universität ist überregional bekannt für ihre umfängliche Ausrichtung im Bereich der Sicherheitstechnik mit fundierter Expertise. In diesem Kontext stellt die Prozess- und Anlagensicherheit eine sinnvolle und wichtige Erweiterung des Portfolios dar. Für die Industrie sind diese Kenntnisse essenziell. Leider gibt es in Deutschland zurzeit zu wenige Lehrstühle mit dieser Ausrichtung, so dass den Anforderungen der Industrie nicht in ausreichendem Maß Rechnung getragen werden kann.
Wie anfällig können Industrieanlagen sein, und welche Sicherheitsaspekte gilt es besonders zu berücksichtigen?
Katharina Löwe: „Ziel der Prozess- und Anlagensicherheit ist der sichere, effiziente und wirtschaftliche Betrieb prozesstechnischer Anlagen, wie beispielsweise Anlagen der chemischen oder pharmazeutischen Industrie, aber auch Anlagen zur Energieerzeugung und -wandlung. Diese Anlagen sind durch eine hohe Komplexität und ein hohes Risikopotential gekennzeichnet. Ein Gefahrenpotential liegt in den Eigenschaften der eingesetzten Stoffe, welche toxisch, explosionsfähig und/oder brennbar sein können. Nehmen wir ein Beispiel aus der geplanten Energietransformation.
Dabei sollen zukünftig als Energieträger Wasserstoff und Ammoniak in größerem Maße eingesetzt werden. Diese Stoffe sind hinsichtlich der Klimaneutralität positiv, jedoch sehr explosionsfähig bzw. giftig. Die Anlagen müssen so konzipiert, ausgelegt und betrieben werden, dass von ihnen keine Gefahren für Menschen und Umwelt ausgehen. Dies ist abhängig von zahlreichen Einflussgrößen, welche sich in hohem Maße gegenseitig beeinflussen, so dass ein ganzheitlicher und systematischer Ansatz benötigt wird. Dabei ist die Prozess- und Anlagensicherheit durch einen hohen Grad an Interdisziplinarität und die Notwendigkeit fächerübergreifenden Wissens und Forschens gekennzeichnet.“
Sie haben zusätzlich eine neue, wichtige Aufgabe in der Bundeanstalt für Materialforschung und –prüfung, kurz BAM genannt, in Berlin angenommen. Die BAM ist die Nachfolgeorganisation des 1871 gegründeten Staatlichen Materialprüfungsamts sowie der 1920 gegründeten Chemisch-Technischen Reichsanstalt. Welche Aufgaben hat die Behörde?
Katharina Löwe: „Ganz kurz zusammengefasst sind die Aufgaben der BAM „Forschen, Prüfen und Beraten“. Als Ressortforschungseinrichtung besteht eine zentrale Aufgabe in der Forschung und Entwicklung für die Sicherheit in Technik und Chemie. Ein weiteres großes Aufgabengebiet liegt im Bereich der Prüfung, Analyse und Zulassung. Darüber hinaus berät die BAM die Bundesregierung und die Industrie mit ihrer Expertise zum Schutz von Mensch, Umwelt und Sachgütern.
Ich habe die Abteilungsleitung der Abteilung 2 „Chemische Sicherheitstechnik“ der BAM übernommen, die seit Januar in „Prozess- und Analgensicherheit“ (PAS) umbenannt wurde, was nicht nur die aktuellen Aufgabengebiete der Abteilung besser beschreibt, sondern auch die geplanten zukünftigen Weiterentwicklungen.
Was mich gleich fasziniert hat ist die breite Aufstellung der BAM, die ausgezeichnete Expertise sowie die gute Verzahnung und Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen und Expertengruppen, so dass technische Problemstellungen ganzheitlich und interdisziplinär gelöst werden können.“
An der BAM arbeiten rund 1.600 Menschen aus etwa 50 Nationen. Was tun Sie dort?
Katharina Löwe: „Die BAM ist sehr international aufgestellt, was das Arbeiten noch spannender macht. Meine Abteilung umfasst fünf Fachbereiche mit vielfältigen Tätigkeitsfeldern. Diese reichen von der Sicherheit von Energieträgern, der Anlagensicherheit über die Sicherheit bei Transport und Lagerung von Gefahrstoffen bis hin zur Bewertung von Explosivstoffen. Als Abteilungsleiterin obliegt mir die Konzeptionierung und strategische Ausrichtung der Abteilung. So werde ich die Bereiche der Prozess- und Anlagensicherheit weiter ausbauen und die Prozesssimulation und –optimierung stärken, wobei für die Prozesssimulation ein ganzer Fachbereich neu aufgebaut werden soll.
Die PAS steht aufgrund von technischen Neuentwicklungen, dem Bedarf an Lösungen zur Steigerung der Effizienz und Nachhaltigkeit, der Energietransformation, der Digitalisierung aber auch durch eine neue Bedrohungslage vor neuen Herausforderungen. Um diese aktuellen und zukünftigen Herausforderungen noch besser adressieren zu können, sind Erweiterungen und Neuausrichtungen notwendig.“
So ganz gehen Sie aber der Bergischen Universität nicht verloren, oder?
Katharina Löwe: „Nein, dafür macht mir die Arbeit an der Bergischen Uni zu viel Spaß. Ich verabschiede mich nur zum Teil und werde meine Professur an der BUW behalten. Geplant sind Kooperationen in den verschiedenen Bereichen. Neben der Übernahme von Lehrveranstaltungen durch mich ist auch eine Zusammenarbeit in der Forschung geplant. Dabei denke ich nicht nur an das Fachgebiet Prozess- und Anlagensicherheit, es existieren durchaus viele Schnittmengen mit diversen Fachgebieten an der Hochschule, in denen die Kooperationen weiter ausgebaut bzw. neu aufgebaut werden können.
Darüber hinaus ist eine gemeinsame Nutzung von Ressourcen vorgesehen, was insbesondere vor dem Hintergrund der finanziellen Situation vorteilhaft ist. Auch im Bereich der Weiterbildung ist eine Zusammenarbeit sehr sinnvoll, um den anfangs genannten Bedarf an Ingenieuren mit guten Kenntnissen im Bereich der Sicherheitstechnik decken zu können. Hier bin ich zurzeit in der Entwicklung eines Konzeptes in enger Absprache mit Industriepartnern.
Uwe Blass
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