22. Februar 2024

Jan Filipzik: Unsere letzten Tage in Kuba

Sie sind auf dem Weg, sich ihren grossen Traum zu erfüllen - die Unternehmensberaterin Lena Lichterbeck und der Berater Jan Filipzik, Ex-Chefredakteur des Wuppertaler Magazins "talwärts". Die beiden haben ihre gemeinsame Wohnung aufgegeben und sind unterwegs auf großer Weltreise. Dabei begleiten wir Lena und Jan. Gehen SIE mit auf große Reise - wenn SIE mögen...

Jan Filipzik mit einem weltbekannten Exportartikel Kubas: Dem Rum „Havanna Club“ – © reisen-ist.jetzt

Für einen kurzen Augenblick habe ich vergessen, wo wir sind. Ich klappe meinen Laptop zu, stehe vom Tisch auf, schaue Lena verwirrt an und könnte noch nicht einmal sagen, in welchem Land wir uns gerade befinden, geschweige denn in welcher Stadt. Es ist das gleiche Gefühl, wie wenn man mitten in der Nacht orientierungslos aufwacht.

Es dauert ein paar Sekunden, dann fällt es mir ein: Kuba, Havanna, alles klar soweit. Es ist verrückt, dass wir schon mehr als ein Jahr unterwegs sind und die vielen Erlebnisse, an die ich mich erinnere, auf dieser einen Reise passiert sind. Wenn ich zum Beispiel an Las Vegas oder Japan zurückdenke, dann fühlt es sich an, als wäre das ein unabhängiger Urlaub gewesen. Unvorstellbar, dass all das Teile eines großen Ganzen sind.

In Lenas & Jans Reiseblog „reisen-ist.jetzt – Unterwegs ist da, wo wir sind“ finden Sie noch viel mehr Fotos, Infos und Impressionen:

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In diesem Ressort in Varadero verbingen Lena und Jan drei ruhige, entspannte Wochen – © reisen-ist.jetzt

Bevor wir uns von Havanna auf den Weg nach Varadero und damit zur letzten Station unserer Kuba-Reise machen, gibt es eine Begebenheit, die ich kurz erzählen möchte. An einem Abend sitzen wir draußen in einer kleinen Bar, direkt um die Ecke von unserem Casa Particular. Wir trinken etwas und warten auf unser Essen. An den Tischen um uns herum sind überwiegend Einheimische, einer von ihnen hat eine kleine Bassbox herausgeholt und übernimmt die Rolle des DJs.

Als ich zur Bar gehe, um noch ein Bier zu bestellen, löst sich ein Mann aus einer Gruppe und kommt auf mich zu. Er ist ziemlich betrunken und deutet auf mein Glas. Dann zeigt er auf den Mann mit der Bassbox. Das da, erklärt er in gebrochenem Englisch, sei sein allerbester Freund auf der Welt. Ob ich ihm vielleicht auch ein Bier kaufen könne? Es ist so unerwartet süß und selbstlos, dass ich natürlich nicht Nein sage.

Zwei Tage später sind wir zurück in Varadero, wo wir ganz am Anfang unseres insgesamt dreimonatigen Aufenthalts in Kuba schon einmal waren. Der Strand hier zählt zu den schönsten, die ich bislang gesehen habe – und weil wir noch einmal richtig ausspannen wollen, bevor die letzten Etappen unserer Weltreise anbrechen, haben wir uns diesmal für drei Wochen ein Zimmer in einem Resort genommen.

Lena Lichterbeck lässt die Seele im tropischen Garten des Resorts baumeln – © reisen-ist.jetzt

Ein großer Vorteil dort ist definitiv das Essen. Die Auswahl ist groß und zu jeder Gelegenheit stellen wir uns riesige Teller mit Salat und Gemüse zusammen. So gesund haben wir ewig nicht mehr gegessen, auch wenn es zum Nachtisch oft noch ein Stück Kuchen gibt.

Dabei entdecke ich ein mir bislang unbekanntes Phänomen: Futterneid, wenn mein Teller bereits voll ist und ich bei einem der Gäste etwas erblicke, das ich übersehen habe und auch gerne gegessen hätte. Schon lustig, worüber man sich Gedanken machen kann.

Nicht so gut ist, dass wir zu Beginn unseres Aufenthaltes das erste Mal auf unserer Weltreise ernsthaft krank werden. Ausgerechnet in Kuba, wo die medizinische Versorgung schlecht ist, haben wir uns eine Infektion mit einem Bakterium eingefangen, die sich schließlich nur noch mit einem bestimmten Antibiotikum bekämpfen lässt.

Jan Filipzik am traumhaften Strand von Varadero – © reisen-ist.jetzt

Doch wir haben Glück. Das Hotel hat eine kompetente Ärztin, der es gelingt, für 100 Dollar das passende Medikament aufzutreiben. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einem Land, in dem für die meisten Menschen sogar einfache Dinge wie Paracetamol oder Ibuprofen nicht zu bekommen sind.

Unser Medikament kostet umgerechnet vier Monatsgehälter eines kubanischen Lehrers oder Polizisten und die ganze Situation führt uns die Zwei Klassen-Gesellschaft noch einmal drastisch vor Augen. Wer Zugang zu ausländischen Devisen hat, lebt besser und sicherer als der Rest der Bevölkerung. Allerdings sind das, abgesehen von den Ausländern, nur etwa zehn Prozent der Kubaner, und zwar überwiegend diejenigen, die im Tourismus arbeiten.

Dank des Antibiotikums geht es uns nach wenigen Tagen wieder gut und wir können die Zeit im Resort genießen. Wir erfreuen uns an den Menschen, die sich ihre Cocktails in riesige Thermobecher und ihr Bier in 1,5 Liter großen Plastikflaschen füllen lassen. Wir machen fast täglich Sport und verbringen anschließend viel Zeit am Strand, wo an manchen Tagen unzählige der gefährlichen portugiesischen Galeeren angespült werden.

Kuba bietet wunderschöne Landschaften – © reisen-ist.jetzt

Die Sonnenuntergänge sind spektakulär und das Meer sieht jeden Tag anders aus. Mal ist es stürmisch und aufgewühlt, weiße Gischt spritzt von hoch aufragenden Wellenkämmen, dann wieder ist es spiegelglatt und so ruhig, als wäre es Teil einer Kulisse.

Ein bisschen erinnert es mich dabei an den Film „Die Truman Show“, falls den noch jemand kennt. Ein paar Mal gehen auch kräftige Gewitter nieder, es wird deutlich kühler und während wir im Pullover im Foyer des Hotels Karten spielen, beobachten wir ein paar Unerschrockene, die die kurzen Regenpausen für ein Sonnenbad nutzen. Das Kälteempfinden ist eben sehr individuell.

Weil wir die drei Wochen bewusst so geplant haben, dass wir komplett herunterfahren können, habe ich viel Zeit zum Nachdenken. Es ist das erste Mal auf der Weltreise, dass es absolut nichts zu tun gibt. Keine Pläne, die wir jetzt schon für Peru oder Kolumbien machen bräuchten.

Zurück in Havanna, der Hauptstadt Kubas – © reisen-ist-jetzt

Keine Projekte. Und kein kommender Job für die Zeit nach der Reise, um den ich mich jetzt schon kümmern könnte. Zunächst versuche ich mich, auf diese Situation einzulassen – doch irgendwann sehe ich ein, dass dieser Zustand einfach nicht meinem Naturell entspricht. Ich merke, dass ich eine Perspektive brauche und wie sehr ich mich inzwischen darauf freue, wieder eine Aufgabe zu haben, nützlich zu sein und einen Beitrag zu leisten.

Denn das gibt mir Kraft und Energie. Untätig zu sein und ohne Ziele in den Tag hineinzuleben, fühlt sich für mich hingegen nicht gut an. Deshalb beginne ich, mich langsam auf die Zeit nach der Rückkehr vorzubereiten. Ich mache erste noch vorsichtige Pläne und merke, wie gut mir das tut.

Gleichzeitig bin ich froh, dass wir diesen Blog haben. Denn das Schreiben hat mir auf dieser Reise immer wieder geholfen, mir über solche Dinge bewusst zu werden und ich habe viel über mich gelernt.

Ein fahrender Händler bietet in Havanna seine Waren an – © reisen-ist jetzt

Schließlich neigt sich Varadero dem Ende zu. Am vorletzten Tag lasse ich mir als kleines Andenken an die Zeit in Kuba noch schnell ein Tattoo stechen, dann sitzen wir auch schon wieder im Bus auf dem Weg zurück nach Havanna. Dort bleiben wir drei Nächte, bevor wir nach Peru fliegen.

Unsere Unterkunft liegt diesmal wieder mitten im Zentrum, direkt am Parque Cristo, wo den ganzen Tag über Trubel herrscht. Kinder kreischen auf dem Weg zur Schule, ein Händler fährt mit einem alten Lkw vor und bietet seine Waren an, die Preise schreibt er vorher mit Kreide auf die Seitenwand des Fahrzeugs. Schnell hat sich eine Menschentraube gebildet, der Lärm von knatternden Autos und Musik schallt durch das offene Fenster in unser Zimmer.

Mitten in der Nacht werden wir von einer lautstarken Auseinandersetzung geweckt. „Das ist mir doch egal“, schreit die Frau ihren Kontrahenten an und ich merke, dass mein Spanisch mittlerweile ganz passabel geworden ist. Kuba ist intensiv und schön, ist Leben und Leidenschaft. Es war die richtige Entscheidung, so lange hier zu bleiben.

Jan Filipzik

  1. Februar 2024
Lena Lichterbeck und Jan Filipzik in Havanna – © reisen-ist.jetzt

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