20. April 2024Peter Pionke
TV-Star Oliver Fleischer: ‚Meine Erlebnisse als Sargträger‘
„Der Oma hätte das gefallen“, hat Oliver Fleischer (48) seine Biografie betitelt. Eine Headline, die neugierig macht. Und auch in der beliebten WDR-Talkshow „Kölner Treff“, in der der Schauspieler mit den vielen Gesichtern sein Buch vorstellte, wollten die anderen Gäste wie Jan-Josef Liefers und Axel Prahl vom „Tatort Münster“, TV-Star Sky du Mont, Schlager-Legende Wencke Myhre Und Jörg Hartmann (Tatort Dortmund) wissen, wie Oliver Fleischer auf diesen ungewöhnlichen Buch-Titel gekommen sei.
Der Bitte kam der gebürtige Bottroper sehr gern nach – im typischen Ruhrpott-Slang: „Bei der Beerdigung einer alten Dame hatten wir gerade den Sarg vom Katafalk gehoben. Plötzlich setzt sich der Sargwagen wie von Geisterhand geschoben in Bewegung, rollte den abschüssigen Weg hinunter, raste in eine Hecke und war verschwunden. Meine Träger-Kollegen und standen mit den dem Sarg in der Hand und verdutzten Gesichtern da. Einer der Angehörigen kommentierte die die Situation trocken: ‚Der Oma hätte das gefallen‘. Lautes Gelächter am offenen Grab und ich hatte meinen Buchtitel.“
Lautes Gelächter auch in der von Susan Link und Micky Beisenherz moderierten „Kölner Treff“-Talkrunde. Oliver Fleischer ist ein Kind des Ruhrgebiets. Er wuchs weit weg von den Medien- und Kultur-Metropolen München, Hamburg oder Berlin auf. Er entstammt auch keiner Künstler-Familie, die ihm den Weg auf die Theaterbühne auf vor die TV- und Kino-Kameras leicht hätte ebnen können.
Seine Eltern sind Beamte, die es lieber gesehen hätten, dass ihr Sohnemann einen „anständigen“ Beruf ergreift. Oliver – oder „Olli“, wie ihn seine Freunde nennen – musste sich alles hart erarbeiten. So wie vorher schon als Handballer und später im American Football. Seinen großen Traum, Schauspieler zu werden, verlor er aber nie aus den Augen. Als sich die erste Chance bot, griff er mit beiden Händen zu.
Oliver Fleischer über seinen Einstieg in die Schauspielbranche: „Ich bin in die Ernst-Busch-Schauspielschule gegangen, nur um mir dort ein Anmeldeformular abzuholen. Und dort am Schwarzen Brett hing folgende Anzeige: ‚Männlicher Schauspieler für das Zweipersonenstück ‚Mein Fleisch – mein Bett gesucht‘. Ich habe mir gedacht: Du hast doch nichts zu verlieren, mehr als ‚Nein‘ können sie nicht sagen. Also habe ich mich beworben und bekam die Rolle. Das Stück spielte in einem Boxring, eine ganz schön abgedrehte Nummer. Mein Schauspiel-Partner war übrigens ein Dozent der Ernst-Busch-Schauspielschule.“
Auf ähnliche unkomplizierte Weise kam Oliver Fleischer auch an seinen Nebenjob als Sargträger: „Ich wohnte früher mit meiner Ex-Frau in Haan. Dort hat mich eines Tages eine Bekannte auf eine Zeitungsanzeige aufmerksam gemacht, mit der Sargträger gesucht wurden. Da habe ich mir gesagt: ‚Okay, warum nicht. Ich habe mich auf die Anzeige hin gemeldet und wurde genommen.“ Auch heute – zehn Jahre später – wird er immer noch von diversen Bestattungsunternehmen in Haar als Sargträger engagiert, ebenso von Marion Floßbach, Chefin der Firma „Trägerservice Bergische Land“.
Viele Menschen machen am liebsten einen Riesen-Bogen um jeden Friedhof, ihnen läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter, allein schon, wenn sie nur einen Sarg sehen, geschweige denn, ihn berühren zu müssen. Oliver Fleischer selbst definiert diesen Job als „wertvollen Dienst am Menschen“.
Die Sargträgerei hat seine Einstellung zu Leben und Tod total verändert. Oliver Fleischer: „Man bekommt hautnah die Trauer der Menschen mit, das perlt nicht so einfach an einem ab. Einiges bleibt im Hinterkopf hängen. Ich persönlich habe durch diesen Job die Angst und die Reserviertheit vor dem Tod verloren. Mir ist voll und ganz bewusst, dass das Leben endlich ist. Es kann leider jeden erwischen. Der Tod ist nicht fair, vor dem Tod sind wir alle gleich – ob arm oder reich, jung oder alt. Einfach dankbar sein für jeden Tag.“
In dem Zusammenhang zitiert Oliver Fleischer gern die weisen Worte der amerikanischen Sängerin Joan Baez („The Night They Drove Old Dixie Down“): „Du kannst Dir nicht aussuchen, wie Du stirbst. Oder wann. Du kannst nur entscheiden, wie Du lebst.“
Oliver Fleischer ist übrigens auch schon einmal selbst Grab gelandet – nicht etwa als Schauspieler, sondern als Sargträger: „Bei der Inspektion einer Grabstelle kurz vor der Beerdigung bin ich auf ein Stück Kunstrasen getreten, das nachgab und ich fand mich im ausgehobenen Grab wieder. Der Friedhofsarbeiter hatte leider vergessen, ein Holzbrett als Stütze unter den Kunstrasen zu legen.“
Diese skurrile Geschichte, wie auch die Story von dem Handy, das im Sarg klingelte, finden Sie in Oliver Fleischers mehr als lesenswerter Biografie „Der Oma hätte das gefallen“. „Ein Buch voller Menschlichkeit, Tiefe und Humor“, heißt es auf der Rückseite des Buch-Covers. Das kann ich voll und ganz unterschreiben.
Text Peter Pionke
Über Oliver Fleischer
Oliver Fleischer wurde am 29. Mai 1974 in Bottrop geboren. Er stammt aus einer Beamtenfamilie. Er spielte bis zu seinem 18. Lebensjahr beim VfB Bottrop Handball und war zeitweise Sänger in einer Heavy Metal-Band.
Anschließend spielte er acht Jahre American Football in der 2. Bundesliga in Bochum und Berlin. In der Bundeshauptstadt begann er auch eine Schauspiel-Ausbildung bei Friedrich-Wilhelm Junge und Jörg Mihan, die er aber nicht abschloß, weil ihm ein interessantes Theater-Engagement angeboten wurde.
Klassische Rollen spielte er u.a. in „Urfaust“ (Mephisto) im Staatstheater Dresden und in William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ (König Theseus) an den Kammerspielen Bochum.
Seit 2003 ist Oliver Fleischer auch regelmässig auf der Kinoleinwand und im Fernsehen present. 2004 drehte er seinen ersten Kino-Film: „Die Zeit nach der Trauer“ (Regie: Beate Fichtner-Neumann). Einer breiten Öffentlichkeit wurde er als Partner von Comedian Oliver Pocher in der Kino-Komödie „Vollidiot“ (2007) bekannt.
Er überzeugte auch in dem Comedy-Format „Pastewka“ an der Seite von Anke Engelke und Bastian Pastewka.
Oliver Fleischer erhielt dreimal den Deutschen Comedy-Preis und einmal den Deutschen Fernseh-Preis für „Danni Lowinski“ (Sat 1 – 5 Staffeln – 65 Episoden) als beste TV-Serie. Hier spielte er die Figur Nils Polga. Außerdem erhielt er den Deutschen Fernseh-Preis für seine Mitwirkung in der RTL-Serie „Beste Schwestern“ (2018 – 2019).
Ausschnitt aus seiner umfangreichen Filmografie:
„Adelheid und ihre Mörder“ (ARD-TV-Serie) – „Vollidiot“ (Kino-Film) – „SOKO Köln“ (ZDF-TV-Serie) – „Ein Fall für zwei“ (ZDF-TV-Serie u.a. mit Claus-Theo Gärtner) – „Kommissar Stolberg“ (ZDF-TV-Serie u.a. mit Rudolf Kowalski) – „Flirtcamp“ (TV-Film u.a. mit Kai Wiesinger) – „Die Superbullen“ (Kino-Film u.a. mit Tom Gerhardt u. Axel Stein) – „Mein Song für Dich“ (Kino-Film u.a. mit Jeanette Biedermann) – „Kein Sex ist auch keine Lösung“ (Kino-Film u.a. mit Corinna Harfouch u. Armin Rohde) – „Tatort – Das Wunder von Wolbeck“ (ARD-TV-Serie mit u.a. Axel Prahl u. Jan-Josef Liefers) – „Notruf Hafenkante“ (ZDF-TV-Serie) – Inga Lindström“ (ZDF-TV-Reihe) – „Das beste Stück vom Braten“ (TV-Film mit u.a. mit Herbert Knaup u. Martin Brambach) – „Wilsberg“ (ZDF-TV-Serie u.a. mit Leonard Lansink) – „Heldt“ (ZDF-TV-Serie u.a. mit Janine Kunze u. Kai Schumann) – „Falk“ (ARD-TV-Serie u.a. mit Peter Prager) – „Luther“ (ZDF-TV-Serie u.a. mit Joachim Król) – „Danni Lowinski“ (Sat 1-TV-Serie u.a. mit Annette Frier) – „Der letzte Bulle“ (Sat 1-TV-Serie mit Henning Baum) – „Beste Schwestern“ (RTL-TV-Serie u.a. mit Mirja Boes) – „In aller Freundschaft“ (ARD-TV-Serie) – „Großstadtrevier“ (ARD-TV-Serie) – „Daheim in den Bergen“ (ARD-TV-Serie).
Vom 22.06. – 07.09.2024 sitzt Oliver Fleischer bei den Karl-May-Festspielen Eslpe in dem Stück „Winnetou und das Halbblut“ als Sheriff Barker im Pferdesattel.
Oliver Fleischer hat einen außergewöhnlichen Nebenjob: Er ist Sargträger.
Er hat eine zehnjährige Tochter aus 1. Ehe (Matilda). Er wohnt mit seiner Lebengefährtin Julia, einer Diplom-Sozialpädagogin, in Münster.
Seine Hobbys: Segeln, Kochen, seine Freizeit mit Tochter Matilda, Partnerin Julia oder Freunden verbringen, Spiele des Fußball Bundesligisten FC Schalke 04 besuchen, dessen Fan er von Kindesbeinen an ist. Im März 2024 kam seine Biografie „Der Oma hätte das gefallen“ heraus.
Link zur Homepage von Oliver Fleischer:
http://www.oliver-fleischer.de
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