7. Juni 2024

Pfarrer Alberti: Palliativmedizin kann das Sterben erleichtern

Die Meldung sorgte für Aufsehen: Zwei Palliativmediziner aus Wuppertal sind vorübergehend festgenommen worden. Den beiden Ärzten wird in einer Strafanzeige vorgeworfen, Palliativpatienten nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. In einigen Fällen soll durch die nicht ordnungsgemäße Behandlung der Todeseintritt verursacht worden sein. 

Der evangelische Seelsorger Mandred Alberti – © privat

Bei den Durchsuchungen aind von Staatsanwaltschaft und Polizei zahlreiche Daten und Unterlagen sichergestellt worden. Nach erster Überprüfung der aufgefundenen Beweismittel wurden sie am nächsten Tag wieder entlassen. Ein dringender Tatverdacht gegen sie besteht derzeit nicht. Soweit die Erklärung von Staatsanwaltschaft und Polizei.

Palliativmedizin, für viele ein schwieriges, emotionales Thema, das sich manchmal vielleicht zwangsläufig in einer ethischen und juristischen Grauzone bewegt. Ein Thema, das auch den evanglischen Pfarrer Manfred Alberti seit vielen Jahren begleitet. Er berichtet hier über seine Erfahrungen.

„Ich möchte solange leben, solange ich einigermaßen gesund bin“

„Palliativmediziner in Wuppertal sollen Patienten falsch behandelt haben, so dass sie gestorben sind. Über eine solche Information kann man leicht stolpern. Ich habe keine näheren Kenntnisse über die Hintergründe der staatsanwaltschaftlichen Aktionen.

Palliativmediziner sind eine besondere Art vor Ärzten: Ihre Aufgabe ist nicht die Heilung von kranken Patienten, sondern ihre Begleitung beim Sterben auf dem letzten Stück des Weges zum Tode hin. Jeder Mensch hat am Ende seines Lebens diesen Weg zu gehen. Und viele Menschen haben davor große Angst.

Hier wollen die Palliativmedizin und die Hospizbewegung helfen: Dieser letzte Lebensabschnitt soll so gut wie eben möglich verlaufen, ziemlich schmerzfrei, um mit wachen Gedanken sich von den Angehörigen verabschieden und im Rückblick auf sein Leben zufrieden und ruhig einschlafen zu können. Damit das gelingen kann, haben Palliativmediziner nicht wie sonst fast alle Ärzte die Aufgabe der Heilung von Krankheiten sondern die Aufgabe der Hilfe auf dem letzten Weg, z.B. durch Schmerz- und Beruhigungsmittel.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist aber, dass die schwerkranken Menschen sehr bewusst auf eventuell noch bestehende medizinische Heilungsmöglichkeiten verzichtet und sich für einen ruhigen, schnellen und möglichst schmerzfreien Weg des Sterbens entschieden haben.

Mehr als 40 Jahre Seelsorger

In mehr als vierzig Jahren Seelsorge als evangelischer Pfarrer habe ich nie gehört, dass einer sagte, er wolle auf jeden Fall 100 Jahre alt werden, egal wie krank er sei. Nahezu immer sagen Menschen mit dem Blick auf ihre letzte Lebenszeit: „Ich möchte gerne so lange leben, wie ich einigermaßen gesund bin. Wenn ich aber schwer krank bin, dann möchte ich möglichst schnell und möglichst schmerzfrei sterben.“

Diesen Wunsch will die Hospizbewegung erfüllen: durch stationäre Hospize, wie in Wuppertal auf dem Dönberg oder durch begleitende ambulante Hospizversorgung für Patienten zuhause oder in Seniorenheimen (SAPV-Teams).

Wichtig ist, dass die Patienten selbst sich entschieden haben, diesen Weg so zu gehen, also bewusst auch auf kleine Heilungsmöglichkeiten zu verzichten. Vielleicht möchten sie keine weitere aufwändige Behandlung mehr durchleiden, vielleicht haben sie in hohem Alter bewusst mit ihrem Leben abgeschlossen und wollen nur noch ruhig einschlafen, vielleicht sehen sie keine Hoffnung auf ein einigermaßen erträgliches Leben mehr. Sie selbst müssen diese Entscheidung treffen.

Wuppertaler Hospiz auf dem Dönberg – © Christliches Hospiz auf dem Dönberg

Dass eine solche Entscheidung nicht bei allen Angehörigen auf Zustimmung stößt, kann man sich leicht vorstellen. Abschied nehmen fällt schwer und man möchte das weit hinausschieben, Verlustängste können den Blick auf dieses zu Ende gehende Leben prägen, mit schlechtem Gewissen möchte man gerne noch Schiefgegangenes korrigieren. Die Gründe können unendlich sein: Erbschaftsfragen, Geschwisterstreit, die eigene Angst vor dem Tod.

Auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung um das selbstbestimmte Sterben spielt hier eine Rolle. Erst das Bundesverfassungsgericht musste 2020 entscheiden, dass jeder Mensch sein Recht auf seinen eigenen selbstbestimmten Tod hat und die Gesellschaft ihm das ohne diskriminierende Schwierigkeiten erfüllen muss. Doch die Politik hat sich bislang noch nicht auf einen Weg einigen können, wie dieses jedem Menschen zustehende Recht in Gesetze gegossen werden kann.

Der schwerkranke Mensch muss selbst entscheiden dürfen

Zu groß sind die Widerstände, auch aus wirtschaftlichen Gründen der Gesundheitsindustrie, zu tief eingegraben in die Psyche ist die Meinung, dass der Mensch nicht über sein eigenes Ende bestimmen dürfe. Doch an die Stelle des früheren Glaubens an die alleinige Macht Gottes über den Tod ist heute faktisch die Entscheidung der Ärzte über das Abstellen medizinischer Geräte getreten.

Die Gesellschaft braucht die Erkenntnis, dass eine immer weitere Verlängerung des Lebens nicht immer im Interesse der Patienten steht: Der schwerkranke Mensch muss und darf selbst nach guter Beratung entscheiden, wie er den letzten Abschnitt seines Lebens bewältigen will.

Dass dieser Abschnitt auf Wunsch des Patienten menschenwürdig und möglichst schmerzfrei gestaltet werden kann, ist der große Verdienst der stationären und ambulanten Hospizbewegung und der Palliativmedizin der letzten zwei Jahrzehnte. Ihr Manfred Alberti

 

p.s.: Wer das stationäre Wuppertaler Hospiz auf dem Dönberg unterstützen möchte, das mit seinen zwölf Plätzen fast nahtlos belegt ist und auch viele jüngere Patienten beherbergt, kann das mit einer Spende an den Förderverein tun, der im Juni und Juli 2024 bei allen Spenden bis 2.000 € durch eine Verdoppelungsaktion der Bethe-Stiftung unterstützt wird:

Förderverein Hospiz Dönberg DE20 3305 0000 0000 8281 03, Stichwort Verdoppelungsaktion.

 

 

 

 

 

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