4. Juli 2024Peter Pionke
Schlechte Noten: Telefonseelsorge hilft bei Zeugnisfrust
„Gute Noten gelten heute mehr denn je als sichtbarer Beweis für Erfolg und Intelligenz“, weiß Telefonseelsorge-Leiterin Jula Heckel-Korsten. Das setze nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Eltern unter starken Druck.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge haben ein offenes Ohr für ihre Sorgen und können als gut geschulte und neutrale Gesprächspartner dabei helfen, Ruhe in die emotional aufgewühlte Situation zu bringen.“ Niemand werde beurteilt oder gar verurteilt. In einem zweiten Schritt könnten dann gemeinsam Strategien überlegt werden, welche Unterstützung und Haltung nötig sei, damit künftig wieder bessere Noten erzielt würden.
Die Leiterin der Telefonseelsorge rät allerdings davon ab, die gesamten Ferien für Nachhilfestunden zu nutzen. Die Ferien seien als Erholungsphase für die ganze Familie sehr wichtig, so Jula Heckel-Korsten weiter. Es sei sinnvoll, wenn sich Lern- und Ruhephasen abwechselten. Außerdem eigneten sich die Sommerferien gut, um mehr Zeit miteinander zu verbringen und in Ruhe ins Gespräch über die Gründe für ein schlechtes Zeugnis zu kommen.
„Da gibt es unserer Erfahrung nach viele: von der Überforderung mit der Schulform über Mobbing in der Klasse bis hin zu unbearbeiteten Konflikten in der Familie“, sagt die erfahrene Wuppertaler Telefonseelsorgerin.
Die Ökumenische Telefonseelsorge Wuppertal ist rund um die Uhr erreichbar unter 0800/111 0 111 oder 0800 111 0 222.
Interview mit Jula Heckel-Korsten, Leiterin der Telefonseelsorge Wuppertal
Wenn am Schuljahresende die Zeugnisse auf dem Tisch liegen, macht sich in manchen Familien statt Ferienfreude eher Ärger und Angst breit. Die Wuppertal Telefonseelsorge hat ein offenes Ohr für die Sorgen von Eltern und Schülern, betont Leiterin Jula Heckel-Korsten.
Wer meldet sich bei der Telefonseelsorge, wenn es um Zeugnisse geht?
Jula Heckel-Korsten: „Da das Telefon nicht mehr das Kommunikationsmedium der Kinder und Jugendlichen ist, melden sich bei uns eher die Eltern. Jugendliche ab 14 Jahren mailen uns häufig. Das Thema Leistungsdruck beschäftigt eine Menge junge Menschen, auch Studierende. Und zwar nicht erst, wenn auf den Zeugnissen schlechte Noten stehen. Viele, die sich bei uns melden, stehen unter starkem Druck und kommen mit Ängsten und Ärger zu uns in die Telefonseelsorge.“
Was macht ein schlechtes Zeugnis mit den Schülerinnen und Schülern, aber auch mit ihren Eltern?
Jula Heckel-Korsten: „Ich habe den Eindruck, dass gute Noten heute mehr denn je als sichtbarer Beweis für Erfolg und Intelligenz gelten. Wenn ein Kind oder Jugendlicher also bescheinigt bekommt, dass seine Leistungen ‚mangelhaft‘ sind, bezieht es das leicht auf seine gesamte Person und sieht sich schnell als Versager. Eltern wünschen sich ein gutes Leben für ihre Kinder und haben die Befürchtung, dass dies ohne eine erfolgreiche Schullaufbahn nicht gelingen könnte. Diese Sorge um die Zukunft ist angesichts von Kriegen und Klimawandel gesellschaftlich insgesamt größer geworden. Zudem beobachte ich einen starken Selbstoptimierungsdruck. Je unübersichtlicher die Welt wird, desto höher ist der Anspruch, wenigstens im persönlichen Leben ‚perfekt‘ zu sein.“
Ein Gespräch mit der Telefonseelsorge kann helfen. Warum?
Jula Heckel-Korsten: „Viele rufen an, wenn sie emotional aufgewühlt sind. Bei uns dürfen sie ihre Angst und ihren Ärger erst einmal loswerden. Eltern regen sich über ihre ‚faulen Kinder‘ auf und die wiederum über ihre wütenden Eltern und ungerechten Lehrer. Das sind normale Reaktionen. Doch am Zeugnis lässt sich jetzt nichts ändern. Daher ist es auch wichtig, sich wieder zu beruhigen. Und das gelingt am besten mit ruhigen und neutralen Gesprächspartnern, wie wir sie in der Telefonseelsorge haben. Hier wird niemand beurteilt oder gar verurteilt. Für uns gibt es keine ‚Schulversager‘. In einem nächsten Schritt überlegen wir dann gemeinsam Strategien, welche Unterstützung nun hilfreich ist, damit sich an den schlechten Noten etwas ändert.“
Was kann zu diesen Strategien gehören?
Jula Heckel-Korsten: „Eine häufige Reaktion der Eltern auf ein schlechtes Zeugnis ist, ihren Sohn oder ihre Tochter über die gesamten Ferien zu Nachhilfestunden zu ‚verurteilen‘. Das ist nicht sinnvoll. Die Ferien sind wichtig, damit die Kinder und Jugendlichen – genauso wie ihre Eltern – mal von der Schule abschalten können. Wenn Nachhilfe in dieser Zeit nötig ist, sollte die Dauer begrenzt werden, indem sich Lern- und Ruhephasen abwechseln. Und es kann auch sinnvoll sein, wenn die Eltern nicht selbst mit den Kindern lernen. Außerdem eigenen sich die Sommerferien gut, um mehr Zeit miteinander zu verbringen und in Ruhe ins Gespräch zu kommen. In der Telefonseelsorge fragen wir immer nach dem „guten Grund“ für ein Verhalten. Und da gibt es auch im Hinblick auf ein schlechtes Zeugnis viele: von der Überforderung mit der Schulform über Mobbing in der Klasse bis hin zu unbearbeiteten Konflikten in der Familie.“
Das Gespräch führte Sabine Damaschke
Telefonseelsorge Wuppertal
Rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr sind über 80 ehrenamtlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ökumenischen TelefonSeelsorge Wuppertal für die Anrufenden aus der Region da. Erreichbar ist die TelefonSeelsorge unter 0800/111 0 111 oder 0800 111 0 222. Sie bittet Anrufende um etwas Geduld und Ausdauer, da die Ressourcen begrenzt sind.
Link zur Webseite der Telefonseelsorge Wuppertal
http://www.telefonseelsorge-wuppertal.de
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