25. Juli 2024

Igor Albanese: So reizvoll ist meine Heimatstadt Pula

Er ist ein begnadeter Musiker, Musik-Produzent, Konzertveranstalter, Networker, Autor und Trüffel-Experte. Viele Jahre führte er erfolgreich das Szene-Restaurant „Leonardo“, in dem sich die Gesellschaft der Ruhr-Metropole Essen zum Speisen und zum Plaudern traf. Igor Albanese ist ein Kommunikator, in dessen Brust zwei Herzen schlagen.

Igor Albanese läst es sich in einem der vielen idyllischen Lokale seiner Heimatstadt Pula gut gehen und geniesst die Spezialitäten – © albanese-music

Eines schlägt für seine Wahlheimat Bottrop und das Ruhrgebiet, das andere für die Adria-Halbinsel Istrien, wo er geboren wurde. Die mit einer Fläche 3.500 Quadratkilometern größte Halbinsel an der nördlichen Adria liegt zwischen dem Golf von Triest und der Kvarner-Bucht vor Rijeka. Der größere Teil Istriens gehört politisch zu Kroatien, ein wesentlich kleinerer zu Slowenien.

Mehrmals im Jahr besucht Igor Albanese seine alte Heimat, dessen bester Botschafter er inzwischen ist. Wenn Sie mögen, nimmt er Sie in seiner Serie „Igors Istrien“ mit auf eine faszinierende, spannende Reise, liefert Ihnen frei Haus Geheimtipps aus erster Hand und macht Ihnen ganz sicher ein wenig Appetit darauf, die wunderschöne Halbinsel einmal selbst zu besuchen.

Lesen Sie hier die 2. Folge:

PULA:  STADT DER ABENTEURER UND VISIONÄRE

Die Fahrt von Essen nach Pula dauert etwa zwölf Stunden. Nach zehn Stunden, kurz vor Udine, lasse ich die Berge hinter mir, die Friauler Weinberge gehen in die Karsthügel über Triest über. Hier fängt die Heimat an.

Die Luft riecht nach Meer, der Duft von frisch gemahlenen Kaffeebohnen aus der Bar am Ende der Autobahn, die ich wie jedes Mal besuche, lässt sich schon erahnen. Nach dem Grenzübergang bei Triest verlasse ich die Autobahn. Nach ein paar scharfen Kurven empfangen mich Weinberge und Steinterrassen der istrischen Küste, der einmalige Kontrast zwischen der roten Erde und dem Grün der Vegetation.

Igor Albanese – Musiker, Komponist, Konzertveranstalter, Networker, Autor und Trüffe-Experte – © albanese-music

An meiner Rechten zieht Capodistria vorbei, die Stadt in der Carpaccio gelebt und gemalt hat. Zwischen Felsen und weichen Stränden fahre ich die schattige Allee entlang. Dabei kurbele ich die Seitenscheibe herunter und lasse mir den Fahrtwind ins Gesicht blasen. Die Musik von Bruce und der Duft von Myrte und Rosmarin erfüllen die Luft.

Die winklige, von Obst und Weingärten umgebene Straße führt durch kleine Fischerdörfer an der Küste voller Licht und Schatten vorbei. Rechts ab führt die Straße durch Zypressen und Olivenhaine zum Meer und ich entscheide, hier eine Pause zu machen. Durch ein von Efeu und Gebüsch überwuchertes enges Steintor fahre ich in das von Mauern umgebene Dorf. Eine schmale Gasse führt hinunter zum kleinen Hafen. An der Wäscheleine trocknet frisch gewaschene Wäsche im leichten Wind, ich spüre nach Waschmittel riechende Tropfen auf meinem Gesicht.

Es ist Mittag. Auf den vier Holztischen unter der Pergola vor der Osteria wird Briskula gespielt. Ich nehme Platz auf der Bank aus Stein neben dem Eingang. Der Wirt schenkt mir ein Glas Malvasia ein und lässt die Flasche und einen Teller mit eingelegten Sardinen auf dem Stein neben mir stehen. Dankbar nehme ich einen großen Schluck und atme tief ein und aus. Es riecht nach Fisch und nach trocknenden Fischernetzen. Das Sonnenlicht spiegelt sich auf der trägen Meeresoberfläche, die in kleinen Wellen gegen die Planken der Fischerbote schlägt.

Die wunderschöne Promenade oder Riva von Pula mit dem Yachthafen – © Duško Marušić

An der Mole neben dem Leuchtturm flickt ein Fischer geduldig und konzentriert seine Netze. Dem Rauschen des Windes lauschend lasse ich die Gedanken zur Ruhe kommen wie die Steine, die im Meeressand versinken. Die Flasche ist leer. Neben dem Teller mit Sardinengräten liegt eine ramponierte graue Katze und leckt sich die Pfoten.

Die Terrasse vor der Osteria wirkt verlassen, nur an einem der Tische wird noch Briskula gespielt. Eine Taube kommt im Tiefflug auf die Pergola geflogen, macht es sich im Schatten der Blätter gemütlich, schaut die Katze an und zuckt mit dem Hals. Die Uhr auf dem Kirchturm zeigt kurz nach drei. Die restliche Fahrt nach Pula vergeht wie im Flug. Mit voller Kraft drücke ich aufs Gaspedal, um dem Blues des Nachmittags zu entfliehen. Vorbei an malerischer Landschaft mit bewaldeten Hügeln und tief eingeschnittenen Tälern, an zerstreuten Hirtenhütten, die wie winzige Steinzelte den Weg säumen. Und dann im krassen Gegensatz die kargen, heruntergekommenen Fassaden der Häuser meiner Geburtsstadt.

Die riesigen Kräne der inzwischen geschlossenen Schiffswerft werfen lange Schatten auf die Altstadt mit winkligen, kleinen Gassen und ihrer venezianisch-österreichischen Architektur. Fischerschiffe liegen auf der Riva neben den modernen Motorboten. Von der Terrasse des Jachthafens blickt man auf das von Kaiser Vespasian erbaute Amphitheater.

Der Hafen und das Wahrzeichen von Pula, das von Kaiser Vespasian erbaute Amphitheater – © Duško Marušić

Für Dante war Pula bedeutend genug, als Grenzstadt Italiens in der göttlichen Komödie erwähnt zu werden, Michelangelo fertigte unzählige Skizzen der Tempel und Triumphbögen der Stadt, James Joyce reiste hierher. Eine verschlafene Stadt mit vielen verborgenen Winkeln, melancholisch und träge.

Und doch sind Visionäre und Abenteurer die Erschaffer dieser Stadt, die wie Rom auf sieben Hügeln errichtet worden ist. Der Legende nach wurde sie von den Kolchiden gegründet, nachdem sie die Verfolgung von Jason und den Argonauten, welche das goldene Vlies gestohlen hatten, aufgegeben haben, weil der Sohn ihres Königs ums Leben kam.

Aus Angst, dass sie der König wegen des Todes des Prinzen bestrafen wird, beschlossen sie, sich an dem Ort seines Todes, an der Spitze Istriens, niederzulassen. Demnach wurde Pula, im antiken Rom als Colonia Pietas Iulia Pola bekannt, vor etwa dreitausend Jahren gegründet.

Heute wird das Ampfitheater für Gladiatorenspiele, Theateraufführungen, das Filmfestival von Pula und Konzerte von Weltstars wie etwa Sting oder Luciano Pavarotti genutzt – © Duško Marušić

In der Zeit der Antike hatte Pula etwa 10.000 Einwohner und alle Errungenschaften der römischen Zivilisation, wie Aquädukt, Kanalisation, das Forum als Verwaltungs-, Handels- und Religionsmittelpunkt, Tempel, zwei Theater, einen großen Stadtfriedhof, den auch Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ erwähnt, Häuser mit prächtigen Mosaiken und Marmor.

Außerhalb der Stadtmauern stand das weltweit sechstgrößte Amphitheater, das seinerzeit Platz für etwa 23.000 Zuschauer bot. Heute finden dort Gladiatorenspiele, das Filmfestival und Konzerte mit Weltstars wie Sting, Eros Ramazotti und Pavarotti statt.

Mitte des 19. Jahrhunderts besuchte Kaiser Franz Josef Pula und war von seiner Bucht begeistert. Auch er war ein Visionär, so er – klärte er 1857 die Stadt zum Hauptkriegshafen der Monarchie und Kaiserin Sisi legte den Grundstein für die Schiffswerft „Uljanik“, die inzwischen in Konkurs gegangen und geschlossen ist.

Erlebte bewegte Zeiten, die Kommandatur am Hafen – © (K&K Monarchie) / Duško Marušić

Die alte Markthalle, die Kommandantur am Hafen, aber auch die vielen Festungen um die Stadt erinnern an diese Gründerzeit. Von 1.126 Einwohnern wuchs die Stadt in kurzer Zeit auf 40 000 Einwohner. Architektonisch bietet Pula ein gelungenes Zusammenspiel des modernen Lebens und ihrer bewegten Vergangenheit. Das antike Rom trifft auf venezianische, österreichische, slawische und auch auf italienische Baukultur aus der Mussolini-Ära.

Dem „Duce“ waren die Bewohner von Pula aber nicht wohlgesonnen. Während einer Rede vor dem Theater 1920 wurde er in einer Blitzaktion, die meine Oma Palmira Albanese angeführt hatte, geohrfeigt. Darüber hat Mussolini nie gesprochen und Pula hat er, meines Wissens, nie wieder besucht. Meine Oma wurde daraufhin aus Istrien (damals Italien) verbannt.

Ihr Igor Albanese

 

Igor Albanese im Gespräch mit Boris Miletic, ehemaliger Bürgermeister von Pula und heutiger Präfekt von Istrien – © albanese-music

Pula – eine Stadt, in der man gerne lebt, arbeitet und Urlaub macht

Igor Albanese im Gespräch mit Boris Miletic, langjähriger Bürgermeister der Stadt Pula und jetziger Präfekt Istriens.

Igor Albanese: Lebt Pula heute vor allem vom Tourismus?

Boris Miletic:Wir sind nicht, wie die meisten Mittelmeerstädte, allein auf Tourismus ausgerichtet, denn obwohl die Stadt touristisch aus allen Nähten platzt, steht der Tourismus bei uns nicht unbedingt an der ersten Stelle. Die kleine Schiffs- Werft Technomont hat sich auf Spezialanfertigungen spezialisiert. Das Zementwerk wird von der Mannheimer Calucem GmbH betrieben, die Glasfabrik für Laborglas betreibt heute die Wertheimer Duran Group GmbH. Viele Menschen sind im Handel oder im Baugewerbe tätig. Auch ICT hat in Pula Tradition. Die ICT-Jungs aus Pula waren für die Datenverarbeitung bei den Olympischen Winterspielen 1984 verantwortlich.“

Igor Albanese: Wie sieht die Zukunft aus?

Boris Miletic: „Pula hat alle Voraussetzungen, eine der Städte mit den besten Lebensbedingungen in Europa zu werden. Die Stadt hat eine angenehme Größe von etwa 60.000 Einwohnern und es könnten problemlos noch 20 000 mehr werden. 47 Prozent der Stadt Fläche ist grün, die Stadt ist nicht überbaut, sie hat eine hervorragende Infrastruktur, die Autobahn bis in die Stadt, den internationalen Flughafen in unmittelbarer Nähe, eine Bahnverbindung. Wir haben den Hafen in einer Bucht, die eine der schönsten, größten und sichersten in Europa ist und wir arbeiten an einer noch besseren Meeresverbindung.“

Die berühmte Villa Trapp in Pula. Georg Ritter von Trapp, dessen Leben als Inspiration für den Film „The Sound of Music“ diente, erbaute sie – © Duško Marušić

Igor Albanese: Früher spielte das Militär in Pula eine große Rolle. Wie ist es heute?

Boris Miletic: „In den letzten 150 Jahren war Pula eine Militärstadt, doch das ist endgültig vorbei. Dadurch haben wir viele militärstrategische Flächen direkt am Meer, die wir in einer zurückhaltenden und qualitativen Art touristisch nutzen können. Unsere geografische Lage im Herzen Europas mit der guten Infrastruktur ist ein großes Potenzial. Pula ist heute ein bedeutendes Reiseziel auf der touristischen Weltkarte. Im letzten Jahr hatte die Stadt über zwei Millionen Übernachtungen und diese Zahl wird in diesem Jahr übertroffen. Wir befinden uns im elitären Kreis der 100 besten touristischen Ziele der Welt, sind unter den besten „City Break“-Zielen.“

Igor Albanese: Ist es wahr, dass die Kreuzfahrtschiffe ihre Weltreisen demnächst in Pula starten werden?

Boris  Miletic: „Der Ausbau des Hafens für die Kreuzfahrtschiffe war von großer Bedeutung, nicht nur für die Stadt, sondern für ganz Istrien. 140 Quadratkilometer standen zur Verfügung. Der Tiefgang unseres Hafens und die Potenziale unserer Infrastruktur bieten die besten Bedingungen. Diese Tatsache bringt Touristen über das ganze Jahr in die Stadt und nicht nur in der Sommersaison.“

Igor Albanese: Viele Städte und Regionen beklagen sich, weil die Einwohnerzahl sinkt, die Menschen wandern aus. In Pula sieht es offenbar wohl anders aus?

Boris Miletic: „Bei uns steigt die Einwohnerzahl jährlich. Das positive Unternehmensklima und die Lebensqualität der Stadt Pula sind durch die aktive Unterstützung und die fruchtbare Zusammenarbeit der Stadt mit der istrischen Entwicklungsagentur sowie der verschiedenen EU-Programme entstanden, die etwa 75 Millionen Euro investiert haben. Die Stadt hat in letzter Zeit sehr viel angestoßen: Darunter die Ganztagsbetreuung der Kinder, gesicherte Kindergartenplätze, bis zur Unterstützung zahlreicher qualitativer Projekte und Aktivitäten aus dem Bereich Kultur und Zivilgesellschaft. Das alles hat dazu geführt, dass in Pula derzeit nur rund drei Prozent der Menschen arbeitslos sind. Pula ist heute eine Stadt, in der man gerne lebt, arbeitet und Urlaub macht.“

Igor Albanese: Vielen Dank für das Gespräch!

Link zur Webseite von Igor Albanese:

http://www.albanese-music.de

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