2. August 2024Peter Pionke
Prof. Ronge: ‚Ich kann mein Leben als glücklich bezeichnen‘
„Volker Ronge hat wesentlich an dem Fundament mitgearbeitet, auf das wir in den Folgejahren aufbauen konnten. Insofern trägt der heutige Erfolg der Bergischen Universität auch ein Stück weit seine Handschrift“, erklärte sein Weggefährte und Nachfolger Prof. Dr. Dr. Lambert T. Koch in seiner Laudatio 2018 anlässlich des 75. Geburtstags von Prof. Dr. Volker Ronge.
Eigentlich wäre der in Guhrau (Schlesien) geborene Wissenschaftler, der in Oldenburg aufwuchs, viel lieber Landrat in Ostriesland oder Chefredakteur einer Tageszeitung geworden. Stattdessen studierte Volker Ronge nach dem Abitur Politik- und Rechtswissenschaften.
Nach diversen Umwegen landete Dr. Volker Ronge 1982 als Professor für Allgemeine Soziologie an der Gesamthochschule Wuppertal, die 2003 zur Bergischen Universität aufstieg. Die Karriereleiter kletterte er bis ins Rektorat hoch. 2008 ging er im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand. Kurze Zeit später kehrte Prof. Dr. Volker Runge Wuppertal den Rücken und zog nach Traunstein.
Der Politologe und Soziologe in Dr. Volker Ronge (81) blieb auch in Bayern weiter aktiv. Mit seiner Meinung und seinen Überzeugungen, die sicher nicht immer mit dem Mainstream kompatibel sind, hält er bis heute nicht hinter den Berg. Auch wenn ihm eine schwere Krebserkrankung seit Jahren schwer belastet und ihn sehr viel Kraft kostet.
Wir haben uns mit dem Mann unterhalten, dem die Bergische Universität viel zu verdanken hat.
DS: Sie wurden 1943 in Guhrau (Niederschlesien) geboren. Aus Ihrer Heimatstadt sind Sie bei Kriegsende vertrieben worden und in Oldenburg gelandet. Haben Sie an diese Zeit überhaupt noch Erinnerungen?
Dr. Volker Ronge: „Meine Erinnerungen an letzten Kriegsjahre sind deshalb besonders intensiv, weil anschließend die Besatzungszeit kam. Wir sind in der sowjetisch besetzten Zone gelandet und ich hab dort insgesamt fünf Jahre zugebracht und als Kind nimmt man natürlich besonders viele Informationen auf. Die Zeit war schrecklich für uns, wir konnten nicht weiter in den Westen, weil man dazu eine besondere Genehmigung zum Zuzug in eine andere Besatzungszone brauchte. Erst als mein Vater eine Stelle in Oldenburg in der britischen Besatzungszone bekam, konnten wir nachreisen, da war ich aber bereits fünf Jahre alt.
Ich habe also meinen Vater im Alter von fünf Jahren überhaupt erst kennengelernt und aus diesem Anfang ergab sich eine lebenslang unbefriedigende Beziehungssituationen zu ihm. Ich bin dann in Oldenburg 13 Jahre lang auf die Schule gegangen und habe 1962 dort Abitur gemacht. Der politische Einschnitt für meine persönliche Politisierung erfolgte durch den Mauerbau 1961 in der DDR und insbesondere in Berlin. Dies hatte für mich große Auswirkungen auf meine weitere Biographie gehabt. Wir sind damals mit der Schulklasse gemeinsam nach Berlin gefahren, um den Mauerbau zu sehen. Dies hat mir vor Augen geführt, wie stark die Welt politisch geprägt ist. Darüber wollte ich dann mehr wissen und lernen und habe deshalb Politikwissenschaften studiert (als dies dann in Westberlin möglich wurde).“
DS: Nach Ihrem Abitur 1962 waren Sie Zeitsoldat. Sie haben die beiden Kriegsjahre noch mitbekommen – vermutlich nicht bewusst. Aber warum haben Sie nicht den Wehrdienst verweigert?
Dr. Volker Ronge: „Der Grund, warum ich mich freiwillig für drei Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet hatte nach dem Abitur, war nicht zuletzt darin begründet, dass man damals erst mit 21 Jahren erwachsen wurde und der Wehrdienst für mich eine Möglichkeit war, dass ich von meinem Vater wegkam. Wie man heraushören kann, war mein Verhältnis zu ihm nicht besonders gut, weshalb ich keine Studienfinanzierung erwartet habe. Ich musste selber für das Geld sorgen. Dies erfolgte dann durch das Übergangsgeld, das mir die Bundeswehr nach meinem Ausscheiden zahlte. Nebenjobs, wie man sie heute kennt, gab es damals schlicht nicht.“
DS: Sie haben an der Freien Universität Berlin ein Studium der Politik- und Rechtswissenschaften mit dem Diplom abgeschlossen. War Ihnen damals schon klar, dass Sie der Universität als Dozent und Wissenschaftler lange Jahre erhalten bleiben würden?
Dr. Volker Ronge: „Nein, die Universitätslaufbahn war für mich noch weit weg. Mein Problem war überhaupt in einem Beruf einzumünden, weshalb ich mich auch nicht nur auf Politikwissenschaft zurückgezogen hatte, mit der ich damals in Deutschland keinen Job bekommen hätte. Zusätzlich Rechtswissenschaften zu studieren war für mich eine Art Versicherung, doch irgendeinen Beruf zu bekommen. Dass letzten Endes hinterher alles ganz anders gekommen ist, ist eine andere Geschichte.“
DS: 1972 wurden Sie am Max-Planck-Institut in Starnberg wissenschaftlicher Mitarbeiter zur „Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt unter Carl Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas. Was ist von diesen beiden großen Persönlichkeiten bei Ihnen hängen geblieben – als Wissenschaftler und als Mensch?
Dr. Volker Ronge: „Ich bin damals mit meinem Professor erst als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach München gegangen, finanziert wurde das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In dieser Zeit kam dann auch das Angebot aus dem Max-Planck-Institut in Starnberg im Bereich Habermas, wo ich dann immerhin auch 8 Jahre zugebracht hatte. Beide Rektoren Carl Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas waren natürlich Größen, prominente Größen in der Wissenschaft und ich war stolz darauf, bei ihnen als Mitarbeiter arbeiten zu können. Das Institut wurde leider nach dem Tod von Carl Friedrich von Weizsäcker aufgelöst und an einem anderen Ort neu gegründet, sodass dieser Schritt von mir folgenlos geblieben ist.Jürgen Habermas lebt ja noch. Er ist in diesem Jahr 95 geworden und ist immer noch einer der ganz großen herausragenden Philosophen in Deutschland. Carl Friedrich von Weizsäcker ist seit längerem tot.“
DS: Einmal sind Sie dann doch noch fremd gegangen. 1979 wurden Sie Geschäftsführer des Münchner Meinungsforschungsinstitut Infratest. Wie wurde Ihnen denn dieser Job schmackhaft gemacht?
Dr. Volker Ronge: „Mein Ruf auf ein kommerzielles Meinungsforschungsinstitut war intellektuelle Neugier und ein absoluter Glücksfall. Ich habe mich darüber gefreut, auch einmal kommerzielle Forschung zu betreiben. Das war in einer Situation, in der ich eine wissenschaftliche Hochschulkarriere bereits abgeschrieben hatte. Denn, bis in der Nachfolge der achtundsechziger Studentenbewegung gab es nirgends für einen Menschen wie mich, der nicht selber politisch aktiv in der Studentenbewegung gewesen ist, einen Job. Ich hatte damals sogar die Absicht, auszuwandern. Dass ich dann später von der Universität Wuppertal einen Beruf erhielt, obwohl ich keiner Partei angehörte, war für mich eine glückliche Wendung.“
DS: Was hat sich aus Ihrer Sicht bei der Demoskopie von damals bis heute gravierend geändert?
Dr. Volker Ronge : „An der Demoskopie selber hat sich nichts grundsätzlich geändert, man kann nur sagen, heute wird mehr demoskopisch gearbeitet als es damals der Fall war – denn es kostet ja Geld. Ich persönlich bin dadurch zu einem Soziologen geworden. Ich habe Demoskopie als Handwerk gelernt.“
DS: 1982 sind Sie doch wieder dem Ruf einer Universität erlegen – und zwar dem der Bergischen Universität Wuppertal. Sie wurden hier Professor für Allgemeine Soziologie mit dem Schwerpunkt „Makro-strukturelle Analyse der Gesellschaft“. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?
Dr. Volker Ronge: „Ich bekam durch den Ruf nach Wuppertal erstens einen Lebenszeitjob und zweitens in einem Bereich, der Jenseits der Politikwissenschaft lag oder liegt, nämlich die gesamte allgemeine Soziologie. Das hat mir eine Zukunft eröffnet in der Wissenschaft, für die ich bis heute dankbar sein kann.“
DS: In Wuppertal haben Sie die höchste Sprosse einer Uni-Professoren-Karriere-Leiter erreicht. Über Dekan und Prorektor wurden Sie 1999 Nachfolger von Erich Hödl als Rektor – und das bis 2008, als Ihnen Prof. Dr. Lambert T. Koch im Amt folgte. Welche Schwerpunkte haben Sie als Rektor gesetzt?
Dr. Volker Ronge: „Die Karriere in der Hochschulverwaltung war nicht absehbar von vornherein. Ich habe sie mitgemacht, bin lange Jahre Prorektor gewesen und als ich dann Rektor wurde, gab es eigentlich ein einziges Hauptaufgabenfeld für mich, nämlich ich musste dafür sorgen, dass man im Zusammenhang der Wuppertaler Universität ihren Anfang als Gesamthochschule vergaß. Die Universität musste im Kreis der traditionellen Universitäten akzeptiert sein. Das war meine Aufgabe. Dies passierte auch. Ich war zum ersten Mal auch Sprecher der Universitätsrektoren in Nordrhein-Westfahlen. Dasselbe passierte später meinem Nachfolger Lambert Koch. Die Universität in Wuppertal war akzeptiert im Kreis der nordrhein-westfälischen Universitäten. Vielleicht sollte man nachträglich der nordrhein-westfälischen Hochschulpolitik ein Lob aussprechen für die Idee der Gründung von Gesamthochschulen, zu denen Wuppertal gehört. Auf diese Weise konnte die Zahl der Universitäten in Nordrhein-Westfalen deutlich vermehrt werden. Für Wuppertal ergab sich daraus die Möglichkeit, trotz fehlender medizinischer Fakultät eine normale akzeptierte Universität ohne Makel zu werden.“
DS: Sie haben oben auf dem Campus Oberen Grifflenberg das Pensionsalter erreicht. Warum haben Sie Wuppertal nach 26 Jahren wieder verlassen und sind nach Traunstein (Bayern) gezogen. Auch die „Goldene Schwebebahn“, mit der Sie von der Stadt Wuppertal ausgezeichnet wurden, hat Sie nicht halten können – warum?
Dr. Volker Ronge: „Nach meiner Pensionierung als Rektor hatte es mich nostalgisch wieder nach Bayern verschlagen oder gezogen, was ich dann auch gemacht habe. Meine Ehefrau ist übrigens in Wuppertal geblieben, sie hat dort ihre eigentliche Heimat. Mir war allerdings München zu teuer, weshalb ich hier aufs Land im Oberbayerischen gezogen bin. Dort allerdings überraschte mich nach einiger Zeit die Krebskrankheit. Von daher könnte ich die Tagesklinik des Traunsteiner Krankenhauses als meine Heimat bezeichnen, wo ich jede Woche auftauchen muss und meine Chemotherapie bekomme.“
DS: Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Bergische Metropole?
Dr. Volker Ronge: „Ich bin in Wuppertal während meiner Rektorzeit sehr gut integriert gewesen, sowohl bei der Stadtverwaltung als auch zum Beispiel bei der örtlichen Sparkasse. Von daher sind alle meine Erinnerungen an Wuppertal gute angenehme Erinnerungen.“
DS: Wen würden Sie gerne noch einmal treffen, wären Sie in Wuppertal?
Dr. Volker Ronge: „Wenn ich jetzt noch einmal die Chance hätte nach Wuppertal zu kommen, dann würde ich insbesondere zwei Personen treffen wollen: Zum einen den inzwischen auch pensionierten ehemaligen Unikanzler, der für die Entwicklung der Universität von größter Bedeutung gewesen ist, Klaus Peters, zum anderen Silke Nasemann, die Herausgeberin der Bergischen Blätter. Sie sorgt seit vielen Jahren mit dieser Zeitschrift für eine Art Identität des Bergischen Landes und um Wuppertal herum.“
DS: Sie erhielten neben anderen Ehrendoktortiteln auch den der Staatlichen Universität für Informatik und Radioelektronik in Minsk, der Hauptstadt Weißrusslands. Wie sehr bedrückt es Sie, dass sich Weißrussland zum treuesten Vasall von Diktator Putin entwickelt hat?
Dr. Volker Ronge: „Weißrussland war immer wie eine Kolonie von Russland und verhält sich auch heute so. Es überrascht mich also nicht. Ich habe drei Ehrendoktoren in Osteuropa insbesondere in den Ländern, die jetzt auch Krieg miteinander führen. Ich habe in allen Ländern Russland, Belarus und der Ukraine gute Freunde gefunden und bin angemessen wissenschaftlich behandelt worden. Wenn ich auch heute mit Freunden aus diesen Ländern spreche, dann spielt der Krieg in unseren Gesprächen kaum eine Rolle. Es gibt ein Leben neben dem Krieg. Der Grund dafür ist, dass die Intensität des Krieges nicht überall die gleiche ist. Dies gilt ganz besonders für den derzeitigen Krieg in der Ukraine, weil dieser sich hoch abstrakt auf moderne Rüstungsgüter bezieht. Wir in Deutschland erleben den Krieg auch nicht so, wie er sich in Teilen der Ukraine oder in Teilen von Russland darstellt. Wir in Deutschland erleben ihn nur vor dem Fernsehschirm und in der Sprache der Medien, die Wirklichkeit des Krieges erreicht uns doch überhaupt nicht. Dieser Krieg eignet sich nicht dazu, Partei für eine Seite zu ergreifen. Dazu ist der Krieg viel zu komplex. Wir müssen auf beiden Seiten gucken, welche Kompromisse möglich sind. Wir Deutschen neigen in dieser Hinsicht dazu, politische und militärische Konflikte zu moralisieren.“
DS: Wie fällt Ihr Blick als Wissenschaftler und Politologe auf diesen blutigen Angriffskrieg mit seinen unzähligen Opfern aus?
Dr. Volker Ronge: „Wir sind angewiesen darauf, dass dieser Krieg in einer für beide Seiten erträglichen Weise beendet wird. Ich hatte immer erwartet, dass Deutschland dabei aus eigener Erfahrung eine gewisse Rolle spielen kann. Angesichts der üblichen Parteinahme in Deutschland wird das immer unwahrscheinlicher und die deutsche Regierung ist auch nicht in der Lage, eine Führungsposition in diese Richtung auf Waffenstillstand und Friedensvertrag einzunehmen.“
DS: Sehen Sie in absehbarer Zeit überhaupt den Hauch einer Chance, dass es zu einem gerechten Frieden, der Putin nicht auch noch für sein verbrecherisches Handeln belohnt, kommen kann?
Dr. Volker Ronge: „Es gibt keinen klassischen Frieden in diesem Zusammenhang. Man kann höchstens arbeiten in Richtung Waffenstillstand und dann Friedensvertrag – das haben wir in Deutschland selbst historisch erlebt. Ich sehe zurzeit angesichts insbesondere des Engagements der USA und der NATO dort wenig Aussichten.“
DS: Welches Gefühl beschleicht Sie überhaupt, wenn Sie sich die momentane Weltlage anschauen?
Dr. Volker Ronge: „Man kann bei dieser Betrachtung nur melancholisch werden. Ich sage mir immer, ‘rechtzeitig sterben, bevor all die Auswirkungen kommen, die heutzutage schnell kommen, von dem, was bereits begonnen worden ist‘.“
DS: Wären Sie in der heutigen Zeit mit all ihren Krisen, Konflikten und Unwägbarkeiten überhaupt gern noch einmal jung?
Dr. Volker Ronge: „In der Jugend wird man durch viele Dinge abgelenkt und ist beschäftigt, das ändert sich im höheren Alter. Da hat man mehr Zeit und sei es aufgrund von zu geringen Schlafzeiten, um sich über die Zusammenhänge Gedanken zu machen. Ob ich nochmal jung sein wollte, ist deshalb eine rein hypothetische Frage.“
DS: Welche Ratschläge würden Sie den heutigen Politkern geben?
Dr. Volker Ronge: „Es gibt viel zu viele unterschiedliche Politiker. Selbst mit Expertenstäben ist das Ganze nicht zu regeln. Wir schaffen in keiner Gesellschaft, egal ob in Deutschland, in Europa oder in den USA, eine einheitliche Perspektive, für die man Ratschläge geben könnte, das kann man zum Beispiel an dem Präsidenten-Wahlkampf in den USA erkennen.“
DS: Donald Trump schwebt als Damoklesschwert über den US-Wahlen. Was glauben Sie, wird er aus der alten, ehrwürdigen Demokratie USA machen, sollte er gewählt werden?
Dr. Volker Ronge: „Die USA waren nie eine alte ehrwürdige Demokratie. Solche Beschreibungen treffen vielleicht auf England zu, aber nicht auf die USA. In den USA ist natürlich die interne Auflösung von Strategien und Plänen noch um ein Vielfaches größer als in dem kleinen Deutschland. In Wahlzeiten war man in den USA immer stark nach innen gerichtet, die Außenpolitik spielte während dieser Zeit fast keine Rolle.“
DS: Ein Wissenschaftler ist ja wie ein Künstler, ein Pfarrer oder ein Mediziner eigentlich nie außer Dienst. Aber auch Sie haben ja sicher ab und an Freizeit. Wie verbringen Sie dann diese?
Dr. Volker Ronge: „Meine Freizeit ist aufgrund meiner Erkrankung und meines Alters sehr eingeschränkt. Ich verbringe sie in der Hauptsache in Krankenhäusern oder zuhause. Meine Beziehung zur Welt geschieht in der Hauptsache über elektronische Medien. Über Besuche meiner Nichte aus Tirol freue ich mich immer. Gelegentlich kommen allergings auch ehemalige Wuppertaler Mitarbeiter oder Studenten zu mir, um mich zu besuchen – ich selbst kann diese Reisen nicht mehr unternehmen.“
DS: Die Folgen der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen und Beeinträchtigungen sind immer noch nicht überwunden. Darüber haben Sie das Buch „Die Irritation durch den Lockdown“ geschrieben. Welche Lehren müssten daraus Ihrer Meinung nach bei der nächsten Corona-Pandemie gezogen werden?
Dr. Volker Ronge: „In dem Corona-Buch bzw. dem Corona-Projekt, bei dem ich beteiligt war, geht es in der Hauptsache um die Frage nach der Tiefenwirkung staatlicher Einflüsse, die in der Corona-Krise extrem und unerwartet gewesen sind. Lehren daraus kann man kaum ziehen, aber man weiß jetzt wissenschaftlich, dass es keinen lange behaupteten Rückzug des Staates aus der Gesellschaft gibt, sondern er kann immer wieder je nach gesellschaftlicher Lage gerufen werden und dann tiefgreifende Eingriffe unternehmen.“
DS: Wie sieht Ihre bisherige Lebensbilanz als Privat-Mensch aus?
Dr. Volker Ronge: „Ein berühmter Sänger, der amerikanischen Countrymusiker Kris Kristofferson hat in einem Song gesagt: ‘Ich kann mein Leben als glücklich bezeichnen‘, dem schließe ich mich gerne an.“
DS: Herzlichen Dank für das offene und ehrliche Gespräch.
Das Interview führte Peter Pionke
VITA PROF. DR. VOLKER RONGE
Volker Ronge wurde am 02. Februar 1943 in Guhrau (Niederschlesien – heute Polen) geboren. Bei Kriegsende 1945 wurde seine Familie aus ihrer Heimatstadt vertrieben. Seine Kindheit verbrachte er in Oldenburg (Ostfriesland).
Nach dem Abitur 1962 verplichtete sich Volker Ronge für drei Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Anschließend (1965) studierte er an der Freien Universität Berlin Politik- und Rechtswissenschaften. Nach dem Dipolom in Politikwissenschaften war er ab 1969 drei Jahre lang Teil des Forschungsprojekts „Politische Planung in der Bundesrepublik Deutschland“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter Politikwissenschaftler Prof. Dr. Kurt Sontheimer.
Volker Ronge promovierte 1972 an der Universität Bremen und war anschließend in Starnberg wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut zur „Erforschung des Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt“ unter Carl Friedrich von Weizsäcker und Jürgen Habermas. 1976 erfolgte die Habilitation in Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin. 1979 wurde Dr. Volker Ronge dann Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstitut „Infratest“ in München.
Als 1982 die Gesamthochschule Wuppertal rief, wechselte Dr. Volker Ronge als Professor für Allgmeine Soziologie mit dem Schwerpunkt „Makro-strukturelle Analyse der Gesellschaft“ in die Bergische Metropole. Mehrere Jahre war er zudem Dekan des Fachbereichs „Gesellschaftswissenschaften“. 1991 wurde er als Prorektor für Planung und Finanzen Teil der Hochschulleitung. 1999 übernahm Prof. Dr. Volker Rommel den Staffelstab von Rektor Erich Hödl. Unter seiner Leitung als fünfter Rektor wurde die Hochschule Wuppertal 2003 zur Bergischen Universität.
2008 übergab er das Amt an Prof. Dr. Lambert T. Koch und ging in den verdienten Ruhestand. Er verließ seine Wahlheimat Wuppertal und zog nach Traunstein (Bayern).
Die Ehrendoktorwürde wurde Prof. Dr. Volker Ronge von der Technischen Universität Kosice (Slowakei), der Weißrussischen Staatlichen Universität für Informatik und Radioelektronik Minsk (Belarus) und der Baschkirischen Staatlichen Universität in Ufa (Rußland) verliehen.
Die Stadt Wuppertal zeichnete ihn mit der „Goldenen Schwebebahn aus (2003). Prof. Dr. Volker Ronge veröffentlichte mehrere Fachbücher. Zuletzt brachte er 20222 mit Werner Bruns das Corona-Buch-Projekt „Die Irritation der Gesellschaft durch den Lockdown 2021“ heraus.
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