6. August 2024

70 Jahre WSV: Der 1. Trainer war ein Profi-Boxer

Im Juli 1954 wurde der WSV aus der Taufe erhoben. Der Wuppertaler Sportjournalist Manfred Osenberg hat zum Jubiläum eine Sonderausgabe des Sport-Magazins FUSSBALL-REPORT herausgegeben. Schon das erste Jahr verlief die Kicker sehr erfolgreich. Am Ende stand der Aufstieg in die Oberlige-West, damals die höchste Spielklasse. Lesen Sie hier den ersten Teil von Manfred Osenbergs Serie über den WSV. In seinem FUSSBALL REPORT finden Sie zudem viele Fotos als spannende Zeit-Dokumente.

Sportjournalist und Buch-Autor Manfred Osenberg an den alten Kassenhäuschen des Stadions am Zoo – © privat

Die neue Saison im Jubiläumsjahr „70 Jahre Wuppertaler SV“ begann wenig erfolgreich. Das erste Jahr als WSV begann dagegen 1954  mit dem Aufstieg in die Oberliga West. Neuer Klub. Neuer Trainer. Raimond Schwab, ein Profiboxer, erwies sich vor 70 Jahren  am Wuppertaler Zoo als Volltreffer. Schwab leitete einen Start, der seinesgleichen suchte. Wuppertal war im Fußballrausch, als der ersehnte Aufstieg des Fusionsklubs WSV geschafft war.

Rotblau in der höchsten Spielklasse. Die Sonne schien in die Herzen der Wuppertaler Fußballfans. Doch mit einem Regentag hatte die Erfolgssaison begonnen. Ausgerechnet gegen Rheydt. 15.000 Zuschauer sahen am 15. August 1954 ein hartes Match. Platzverweis für den Gästespieler Hochgeschurz. Doch auch Hermann Michael flog runter. Beide Teams in Unterzahl. Aber der WSV beherrschte das Match. Pelzer hatte schon nach drei Minuten die Führung besorgt. Der lange Breuch erhöhte mit einem Aufsetzer aus 22 Metern auf 2:0, bevor Kirschstein das 3:0 besorgte. 3:0-Sieg gegen Rheydt – das konnte sich sehen lassen.

Eine Woche später reiste der WSV nach Düren. Rothardt und Kirschstein sorgten für eine 2:0-Führung. Doch die vielen Wuppertaler Schlachtenbummler hatten sich zu früh gefreut. Düren 99 kam noch – durch einen Elfmeter – zum 2:2. Der WSV war „in“. Auch zum nächsten Auswärtsspiel begleiteten 2.000 Wuppertaler ihre Mannschaft. In Bottrop wurde es genauso hart wie in Düren. Besonders Theo Kolkenbrock war ein harter „Brocken“, der als Torjäger schon damals einen sehr guten Ruf hatte. Auch gegen den WSV traf er zweimal – und wurde auf dem Wunschzettel des WSV dick eingetragen.

Die Mannschaft des WSV in der Spielzeit 1954/55 – © Fußball Report

Später wechselte Theo dann zum WSV. Aber in Bottrop brauchte der WSV ein spätes Tor von Bruno Oberhanns, um mit 2:2 etwas glücklich einen Auswärtspunkt zu entführen. Vor dem „goldenen Oktober 1954“ versilberte der WSV noch den September. Dem 4:1- Sieg gegen Erkenschwick mit zwei Rothardt-Treffern folgte ein 4:0-Erfolg gegen Rhenania Würselen.

Der schnelle Rothardt und auch Pitter Kirschstein waren kaum zu bremsen. Das Duo schoss drei der vier Tore. Gut, dass der WSV Anfang Oktober den vorher gesperrten Hermann Michael einsetzen konnte. Michael verwandelte beim deutschen Amateurmeister TSV Marl-Hüls einen Strafstoß zum 1:0 und war maßgeblich am überraschend klaren 3:0 der Wuppertaler beteiligt. Der beliebte Hermann war es dann auch, der die 10.000 WSV-Fans im Benrather Stadion mit seinem Elfmeter kurz vor Schluss erlöste.

Härte wurde mit Platzverweisen bestraft

Die Härte in der Zweiten Liga West drückte sich auch in Benrath durch die beiden Platzverweise für Oberhanns (WSV) und Marzok (Benrath) aus. Die Siegesserie wurde fortgesetzt. Auch Hamborn 07 konnte den WSV nicht bremsen. Delvos war der Torschütze beim 1:1 gegen den Konkurrenten – ein wichtiger Auswärtspunkt. Zwei Zähler gab es durch den überzeugenden 4:1-Sieg in Wattenscheid. Dabei schoss Rothardt das Tor des Tages. Kaum ins Gewicht fiel der Platzverweis von Ede Dapprich. Danach ging es zum Katernberger Lindenbruch in Essen. “Ben“ Tack war beim 2:0-Sieg des WSV der überragende Wuppertaler. Klasse, sein Freistoßtor.

WSV-Torhüter Klaus Wilhelm, genannt „Der blonde Tiger vom Zoo“ – © Fußball Report

Aber die absolut beste Leistung der Hinrunde lieferte der WSV im Stadion am Zoo gegen die Emscher Husaren ab. Torjäger Rudi Schmidt, bei den Westfalen immer gefährlich, schoss zwar gegen WSV-Torwart Klaus Wilhelm zwei Tore für die Horster. Doch der WSV ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen, gewann klar mit 5:2.

Die letzten Hürden der Hinrunde wurden ebenfalls genommen: 2:0 in Krefeld, dann 2:2 – nach 0:2- Rückstand – bei Rot-Weiß Oberhausen. Wieder war Oberhanns per Kopfball kurz vor Schluss erfolgreich. Das letzte Match des Jahres bestritt der WSV dann am 12. Dezember gegen die SpVg Herten. 35.000 kamen zum Zoo. Ein Fußballfest im Winter. Hermann Michael besorgte bereits in der ersten Spielminute das 1:0 und traf auch zum alles entscheidenden 3:0.

Zwischendurch hatte Oberhanns den zweiten Treffer für die umjubelten Schwab-Schützlinge erzielt. Klaus Wilhelm, der später auch von Sepp Herberger zu DFB-Lehrgängen eingeladen wurde, war der überragende Rückhalt beim Rückrundenstart in Rheydt. Der WSV und Wilhelm brachten ein 0:0 über die Runden. Einen Punkt sicherte sich der WSV auch in Würselen im Nebelspiel. Die Zuschauer sahen kaum einmal den Ball. Aber das 2:2 zählte.

Manfred Osenberg an der berühmten Tür zur Bundeslige im Stadion am Zoo, die jetzt verschlossen ist – © Fußball Report

Große Mühe hatten die Wuppertaler auch am 30. Januar 1955 – beim 2:1-Sieg gegen den VfB Bottrop. Pech, dass “Ben“ Tack verletzt wurde. Aber Theo Kolkenbrocks Anschlusstreffer reichte den Gästen nicht. Der WSV siegte 2:1, nachdem Hermann Michael wieder einmal einen Elfmeter zum 2:1 verwandelt hatte. Das 18. Saisonspiel brachte dann für den WSV die erste Niederlage. Es war der 6. Februar 1955, als es für die Gäste am Erkenschwicker Stimberg knüppeldick kam.

Vor 20.000 Zuschauern führten die Gastgeber nach 30 Minuten bereits mit 3:0. Ohne den verletzten Tack lief das WSV-Spiel nicht wie gewohnt. Dafür glänzte bei Erkenschwick ein junger Mann, der später einmal WSV-Geschichte schreiben sollte: Horst Szymaniak. Seine Tacklings, seine herrlichen Pässe ließen den WSV schlecht aussehen, der keineswegs meisterlich auftrumpfte. Die 2:5-Niederlage wurde aber schnell verdaut. Marl-Hüls wurde eine Woche später klar mit 4:1 geschlagen, die Sportfreunde Katernberg mit 3:0 besiegt – und Oberhanns traf gegen Hamborn 07 zum 1:0.

Niederlage gegen Düren 99

Wer sollte den WSV noch bremsen? War es Überheblichkeit, dass Düren 99 als krasser Außenseiter am 13. März 1955 am Zoo zum 1:0-Überraschungssieg kam? Es war die erste Heimniederlage für die Wuppertaler, die auf dem glitschigen Rasen keine Einstellung fanden. Dem 0:1 gegen Düren folgte eine 0:2- Schlappe gegen Horst-Emscher. Doch die Verfolger konnten die Gunst der Stunde nicht nutzen.

Die Jubiläumsausgabe des Wuppertaler Sport-Magazin FUSSBALL REPORT – © Fußball Report

Der WSV bleibt vorne – und schlug Oberhausen nach dramatischem Spiel mit 4:2. Spieler des Tages: Günther Piesker. Er erzielte drei Treffer und musste verletzt in die Klinik gebracht werden. Jubel an der Wupper. Die Euphorie wuchs. 6.000 Wuppertaler unterstützten den WSV am Hertener Katzenbusch. Jochen Menze, der technisch starke „Mittelläufer“ aus Gevelsberg, erzielte bei einem seiner Vorstöße das 1:0. Doch Herten kam noch zum späten Ausgleich.

Titel und Aufstieg perfekt

Am 8. Mai machte der WSV die Westmeisterschaft perfekt. An jenem Sonntag wurde Krefeld klar mit 4:0 besiegt. Der WSV hatte es geschafft. Titel und Aufstieg. Oberliga West – wir kommen. Auch für Wuppertals Stadtoberhaupt Heinrich Schmeißing war es eine besondere Genugtuung. Der Oberbürgermeister aus der Brandenburgstraße in Langerfeld hatte sich bekanntlich für die Fusion eingesetzt. Und mit 42:14 Punkten und 65:27 Toren war der „neue WSV“ souverän Meister geworden. Übrigens vor Hamborn 07, das mit 36:20 Punkten noch vor Herten Vizemeister wurde und damit ebenfalls den Aufstieg in die Oberliga West geschafft hatte.

Text MANFRED OSENBERG

QUELLE: FUSSBALL-REPORT und Manfred Osenbergs Buch „Der WSV wird niemals untergehen“

 

Der WSV wird niemals untergehen! 50 Jahre Wuppertaler Sportverein 1954 – 2004 – Manfred Osenberg – Druckservice HP Nacke KG – 196 Seiten – ISBN-10:3980805948 – ISBN-13: 978-3980805940

 

Link zur PDF der FUSSBALL-REPORT-Jubiläumsausgabe:

LAY4_FR_2024_06-07

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