15. August 2024Peter Pionke
Bleibt Brose in Wuppertal oder bleibt Brose nicht?
Seit 1904 werden hier „Schlösser und Beschläge“ für den Weltmarkt unter sich stets verändernden Rahmenbedingungen entwickelt, gefertigt oder vertrieben. Aber wie lange noch? Die Frage ist, bleibt „Brose“ oder bleibt „Brose“ nicht? Die offizielle Antwort der Firmenleitung Brose Fahrzeugteile SE & Co. Kommanditgesellschaft, Coburg, klingt erstmal beruhigend und lautet: „Ja, auch nach dem Ende der Fertigung hält Brose am Standort Wuppertal fest: Die Entwicklung unserer Schließsysteme treiben wir weiterhin in Ronsdorf voran“.
Insider staunen indessen, weil der zum Ende des Jahres auslaufende Mietvertrag für das Werksgebäude im Ronsdorfer Industriegebiet an der Otto-Hahn-Strasse über das Jahresende hinaus wohl noch nicht verlängert wurde.
Wie lange wird der Ronsdorfer Standort noch gehalten?
Der in Wuppertal Cronenberg ansässige Zangenhersteller „Knipex“, die C. Gustav Putsch KG, ist inzwischen Eigentümer der Werksanlage und hat hier 2023 ein neues Logistikzentrum errichtet. Die Cronenberger Knipex-Chefetage antwortete uns auf unsere entsprechende Anfrage: „…dass Brose für die nächsten Jahre allein entscheiden kann, ob man den Standort weiter nutzen wird – der Vertrag sieht entsprechende Optionen vor. Wegen der längerfristigen Perspektiven sind wir mit Brose im engen Austausch“.
Die Sorgen der Mitarbeiter dürften damit also noch nicht ganz vom Tisch sein, spricht doch die deutsche Autoindustrie 2024 von einem ganz schwierigen Jahr. Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management, geht in seiner aktuellen Analyse ganz allgemein von drohenden Entlassungen aus. Im Bergischen Land sind es rund 250 Unternehmen, die unmittelbar an der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie hängen.
Der Schlösser- und Beschlägebau begann 1904 mit zwei Ronsdorfern
Der „Schlösser- und Beschlägebau“ hat in Ronsdorf Tradition und eine lange, interessante Geschichte. Tiefgreifende Veränderungen hatten sich bereits früh abgezeichnet, als das Unternehmen noch Bocklenberg & Motte (BOMORO) gehörte. Bevor die Firma Brose den Betrieb 2002 übernommen hatte, kam es bereits am 1. Januar 1995 zur Übernahme des Unternehmens durch die Stuttgarter Bosch GmbH, die den Betrieb aber noch unter dem Namen BOMORO fortführte. Das „RO“ vom alten Firmen-Namen stand für „Ronsdorf“.
In der kurzen Bosch-Ära war der Wuppertaler Markus von Blomberg Geschäftsführer in Ronsdorf. Er beschreibt den Wandel und die damalige Situation heute so: „Bei einem Konzern wie Bosch ging es um die strategische Frage, auf welche Module in der Fahrzeugmechanik und -Elektronik man sich fokussieren wollte und ob Schliesssysteme dabei eine Rolle spielen sollten. Für Brose, die sich des Türmoduls insgesamt als System angenommen hatten, passten die Schlösser und Schliesssysteme aus Ronsdorf bestens in ihr Konzept“.
Man produzierte in Ronsdorf Schließsysteme für Automarken wie Mercedes, Ford, BMW oder Fiat. Diese Produktion, nicht aber deren Entwicklung, wurde inzwischen ins benachbarte Ausland verlagert.
Markus von Blomberg meint in der Nachschau zum Inhaberwechsel: „Auch dieser Wechsel hat dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern gutgetan und eine Zukunftsperspektive gegeben“. Blomberg selbst war danach ab 2002 bis 2007 als Vorstand und persönlich haftender Gesellschafter für Vorwerk tätig und ist heute als Geschäftsführer bei der „Schokoladen-und Denkfabrik“ Mello GmbH im Herzen des Wuppertaler Luisenviertels tätig.
BOMORO entdeckte früh den amerikanischen Automarkt
Angefangen hatte alles zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als die beiden gebürtigen Ronsdorfer Paul Bocklenberg und Otto Motte in Barmen einen kleinen schnell expandierenden Betrieb zur Herstellung von Möbelschlössern und Beschlägen aufbauten, der fünf Jahre später nach Ronsdorf verlegt wurde.
Durch hohe Qualität verschaffte sich die Firma im In- und Ausland schnell einen guten Namen. 1910 gründete man sogar im argentinischen Buenos Aires eine Handelsfirma, die den amerikanischen Markt mit Schlössern und Beschlägen versorgte.
Ein ganz großer Coup gelang den Unternehmern mit der Ausrüstung der U-Bahnen von Buenos Aires, die mit Bomoro-Schlössern ausgestattet werden konnten. Unbekannt ist heute, wo die Schlösser genau hergestellt wurden, jedenfalls stand der Firmen-Name „Bomoro“ darauf. Schon bald verdrängte aber ein neuer Produktionszweig den alten. Die Firma Bomoro steuerte mit unternehmerischem Weitblick auf die aufstrebende Automobilindustrie zu. Das Ronsdorfer Unternehmern wurde schließlich zu einem weltweit führenden Zulieferunternehmen der Autobranche.
Paul Matthey, ein Mann der ersten Stunde übernahm 1934 das Ruder
Um 1934 kam es zu Veränderungen in der Geschäftsleitung und Teilhaberschaft. Paul Matthey, der seit seiner Ausbildung zur Firma gehörte und sich empor gearbeitet hatte, erhielt 1923 Prokura und wurde 1934 zum Direktor ernannt. Als die Firma in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt wurde, trat er als persönlich haftender Gesellschafter in das Unternehmen ein.
Bei Kriegsbeginn im Jahre 1939 befanden sich die beiden Firmengründer in Argentinien. Da eine Heimkehr unmöglich war, übernahm Paul Matthey die alleinige Leitung der Firma. Auch nach Kriegsende blieben Paul Bocklenberg und Otto Motte in Buenos Aires, wo sie 1943 und 1951 verstarben.
Beim Luftangriff am 30. Mai 1943 wurde ein Teil der Betriebsgebäude zerstört, die Produktion konnte aber aufrechterhalten werden. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, kam es in den Jahren 1960/61 zu umfangreichen Modernisierungen der Gebäude und der Fertigungstechnik. 1966 übernahm Hans Otto Matthey von seinem Vater die Firmenleitung, die er bis zum Jahr 1985 ausübte.
ständig wachsenden Anforderungen der Automobilindustrie führten Anfang der 80ger Jahre zum Bau eines Zweigwerkes im Ronsdorfer Industriegebiet an der Otto-Hahn-Straße, das bereits 1991 erweitert werden musste. Ein dritter Standort wurde direkt an der Stadtgrenze am Remscheider Blaffertsberg errichtet.
Doch schon zu diesem Zeitpunkt stand eine tiefgreifende Veränderung bevor. Die Entwicklung ging immer stärker von mechanischen zu elektronischen Schließsystemen und eine Umstellung war mit immensen Investitionen verbunden. Dem fühlte man sich aber nicht gewachsen, und so kam es zum Jahresende 1994 zur Übernahme des Unternehmens durch die Stuttgarter Bosch GmbH.
Hierzu merkt Ex-Geschäftsführer Markus von Blomberg an: „Wenn eine Eigentümerfamilie die unternehmerischen Herausforderungen und erforderlichen Investitionen nicht stemmen kann oder will und sich zum Verkauf entschließt, ist dies ein sehr normaler Vorgang, nachvollziehbar und vorteilhaft für das Unternehmen und seine Mitarbeiter“.
Ein Pfund: Erfahrungsschatz und das Mitarbeiterpotential
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Markus von Blomberg urteilt mit seiner internationalen Industrieerfahrung: „Wuppertal und das Bergische Land eignen sich nach wie vor hervorragend, nicht nur wegen der Nähe zu Schlüsselkunden, sondern vor allem aufgrund des Mitarbeiterpotentials und Erfahrungsschatzes durch die Jahrzehnte währende Tradition in der Schlösser-, Schmiede, und Feinmechanik-Industrie“.
Markus von Blomberg hat auch die Grenzen der Elektronik im Blick: „Wenn ein Fahrzeug nach einem schweren Unfall zum Stehen kommt, funktioniert wahrscheinlich keine Elektronik mehr. Aber die Tür muss zur Rettung der Insassen noch geöffnet werden können. Von Mechatronik versteht der Ronsdorfer Betrieb etwas – egal unter welchem Namen die Mitarbeiter heute tätig sind“.
Die Mitarbeiter werden dies gerne hören und dürften sich wünschen, dass diese Erkenntnis auch bis Coburg durchdringt.
Text: Siegfried Jähne
Quellen: Berichte von Zeitzeugen sowie in Teilen der Firmenfestschrift zum 60.Jubiläum aus dem Jahre 1964 entnommen.
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