24. August 2024

Igor Albanese: Trüffeln – die Schätze seiner Heimat

Er ist ein begnadeter Musiker, Musik-Produzent, Konzertveranstalter, Networker, Autor und Trüffel-Experte. Viele Jahre führte er erfolgreich das Szene-Restaurant „Leonardo“, in dem sich die Gesellschaft der Ruhr-Metropole Essen zum Speisen und zum Plaudern traf. Igor Albanese ist ein Kommunikator, in dessen Brust zwei Herzen schlagen.

Igor Albanene (r.) genießt das Treffen mit Gastronom Giancarlo Zigante. Vor ihnen stehen frische Trüffeln – © albanese-music

Eines schlägt für seine Wahlheimat Bottrop und das Ruhrgebiet, das andere für die Adria-Halbinsel Istrien, wo er geboren wurde. Die mit einer Fläche 3.500 Quadratkilometern größte Halbinsel an der nördlichen Adria liegt zwischen dem Golf von Triest und der Kvarner-Bucht vor Rijeka. Der größere Teil Istriens gehört politisch zu Kroatien, ein wesentlich kleinerer zu Slowenien.

Mehrmals im Jahr besucht Igor Albanese seine alte Heimat, dessen bester Botschafter er inzwischen ist. Wenn Sie mögen, nimmt er Sie in seiner Serie „Igors Istrien“ mit auf eine faszinierende, spannende Reise, liefert Ihnen frei Haus Geheimtipps aus erster Hand und macht Ihnen ganz sicher ein wenig Appetit darauf, die wunderschöne Halbinsel einmal selbst zu besuchen.

Lesen Sie hier die 3. Folge:

DAS WEISSE GOLD ISTRIENS

Ich habe in meinem Leben schon viele Trüffel gesehen, gegessen und gefunden – denn die besten weißen Trüffeln wachsen in meiner Heimat Istrien an der Adria. Es ist für mich dennoch ein besonderes Erlebnis, ein Ritterschlag, Bepo Sćulac zu treffen, einen der alten Großmeister der Trüffelsuche. Gemeinsam mit dessen Hunden unternehmen wir einen Spaziergang durch den Motovun-Wald.

© albanese-music

TRÜFFEL

Eine Pilzart, die ausschließlich in unberührter Natur in Symbiose mit bestimmten Baumarten wächst. Sie ist in einer Tiefe von fünf bis über 50 Zentimeter unter der Erdoberfläche zu finden. Es gibt in Istrien weiße und schwarze Trüffeln. Die Weiße Trüffel gilt als das teuerste Nahrungsmittel der Welt. Die Zeit der weißen Trüffel ist nur von kurzer Dauer: Von Anfang Oktober bis kurz nach Weihnachten. Der „Trüffelpapst“ Ralf Bos betont: „Die Trüffel, die in der kulinarischen Bundesliga mitspielen, müssen aus der richtigen Gegend stammen.“

Die richtige Gegend für die königliche Weiße Trüffel (lat. Tuber Magnatum Pico) sind die Regionen um das Städtchen Alba in Piemont und um die Trüffelhochburg Livade in Istrien. Trüffeln sind reich an Kalium, Phosphor, Schwefel Magnesium, Eisen und Kalzium. Durch die synergetische Wirkung dieser Elemente sind sie extrem nahrhaft. Seit der Antike werden Trüffeln auch als Aphrodisiakum geschätzt. Aphrodisierend ist zweifellos auch ihr Preis – im Dezember 2017 erreichten sie Spitzenwerte von über 6.500 Euro pro Kilogramm.

Der römischer Kaiser Nero nannte sie „DIE NAHRUNG DER GÖTTER“

Die von Nebelschwaden umwehten mittelalterlichen Dörfer auf den Hügeln und die gelbroten Blätter, die den Waldboden bedecken, bieten eine magische Kulisse. Die verborgenen Täler und verschlungenen Pfade entlang des Flusses Mirna sind das ideale Terrain für die Weiße Trüffel. Der bereits weit über achtzigjährige Trüffelsucher Bepo Sćulac hat mich zu einem Spaziergang durch diese Trüffelwälder mitgenommen. Mein Geschäftspartner, der Trüffelbaron Giancarlo Zigante, hat ihn darum gebeten, denn ich möchte mehr über die Trüffeln in Istrien erfahren.

Und wer könnte mir mehr über Trüffeln erzählen als Bepo Sćulac, einer der alten Großmeister der Trüffelsuche? Ich fühle mich geehrt, ihn zu treffen. In Livade, der Trüffelhochburg Istriens, parken wir den Wagen vor dem berühmten Trüffelspezialitätenrestaurant Zigante. Von da aus geht es einen schmalen Weg entlang in den Wald hinein. Bepos Gang ist aufrecht, und seine Erinnerungen halten mich gefangen. Seine Hunde begleiten uns, heute ausnahmsweise nicht im Dienst.

Igor Albanese (r.) mit Bepo Sćulac, der seit vielen Jahren als Trüffelsucher erfolgreich unterwegs ist – © albanese-music

RESPEKT VOR DER NATUR

„Die Trüffelsuche beginnt in der Regel früh am Morgen oder am späten Abend, wenn die Feuchtigkeit die Düfte im Boden verstärkt und so das Auffinden erleichtert“, fängt er an. „Doch es gibt keine Gesetzmäßigkeiten bei der Trüffelsuche. Jeder Sucher hat seine eigenen Weisheiten. Nicht nach Vollmond, sagte mein Vater, da findest du keine einzige Knolle. Eins ist aber sicher: Erst wenn sie der Frost tiefer in den Boden getrieben hat, entwickeln sie ihr volles Aroma. Wenn danach der Boden bricht und zusammenfällt, ist die Ernte gut – Ohne Frost keine Trüffeln.“

Seine Hunde laufen still in alle Richtungen und beschnüffeln die feuchte Erde. „Speta Luna, speta!”, ruft Bepo im istrisch-italienischen Dialekt und läuft der kleinen Hündin hinterher. Luna, die nur Italienisch versteht, zeigt brav die getrüffelte Erde mit der Schnauze an und kassiert ein Hundebonbon, von denen Bepo immer welche in seinen Taschen trägt: „Sie hat richtig gerochen und dafür bekommt sie eine Belohnung. Doch leider war jemand vor uns da.“

Dabei schaut er traurig auf die zerrüttete Erde und beugt sich hinunter. Er bedeckt die Stelle mit Laub, um den Kreislauf der Natur wieder ins Lot zu bringen. „Wenn du die Fundstelle so respektlos hinterlässt, wachsen die Trüffeln hier nie wieder. Zu meiner Zeit gab es in dieser Gegend insgesamt nur vier Trüffelsucher. In ganz Istrien waren es 25. Heute sind es über 1.500 registrierte Sucher. Viele von ihnen respektieren diese Erde leider nicht.“

Ein Trüffelsucher mit seinen Hunden in den Wäldern Istriens bei der Arbeit – (c) fotoprizma.com

Der Respekt vor der Natur ist im Trüffelhandwerk eine Selbstverständlichkeit und ein Muss. Wie auch die Goldgräber halten die Sucherfamilien ihre Fundstellen seit Generationen geheim.

DIE GRÖSSTE TRÜFFEL DER WELT

„1999 fand Giancarlo Zigante hier, in diesem Wald, die größte Weiße Trüffel der Welt“, erzählt Bepo stolz weiter. „1.311 Gramm hat sie gewogen. Damit steht er im Guinnessbuch der Rekorde. Und anstatt die Knolle für damals etwa 10.000 DM zu verkaufen, bereitete er ein gigantisches Trüffel-Rührei für das ganze Dorf zu.“

Wir laufen weiter. Vor uns, zwischen bewaldeten Flächen, überall tiefe Stille. „Čekaj Jenny, čekaj!“ Bepos Rufe, diesmal auf Kroatisch, unterbrechen die Stille. Jenny, die nur Kroatisch versteht, wühlt in der Erde. Sie findet ein kleines Knöllchen und zieht sich vornehm zurück, um Bepo Platz zu machen. Behutsam holt er die Trüffel aus der Erde heraus, um das filigrane Wurzelgewebe im Boden nicht zu zerstören. Auch für Jenny hat er ein Hundebonbon parat. „Sind das alles weibliche Hunde?“, frage ich. „Fast ausschließlich weiblich“, antwortet Bepo.

„Die Trüffeln sind auch für sie ein Aphrodisiakum. Das Erste, was so ein Trüffelhund in seinem Leben gerochen hat, ist der Trüffelgeruch, denn die Brustwarzen der Hundemutter werden mit dem Trüffel-Öl eingerieben, der erste Spielball ebenso.“ Während wir weiterlaufen, doziert Bepo: „Erst nachdem sie völlig ausgereift sind, können die Trüffeln erschnuppert werden. Es kann passieren, dass du vormittags ergebnislos an der Stelle vorbeiläufst und am Nachmittag findest du dann an derselben Stelle mehrere große Trüffeln.“

TRÜFFELHUNDE GEHÖREN ZUR FAMILIE

Ist das mit den Schweinen nur eine Legende?  „Na ja, in Istrien schon. Schweine kannst du nicht erziehen. Außerdem fressen sie die Trüffeln. Hunde fressen die Trüffeln meistens nicht, und sie wühlen nicht so rabiat in der Erde, wie es die Schweine tun. Hunde sind außerdem stolz, wenn sie einen Fund anzeigen können. Mein alter Hund fand eine Weiße Trüffel von 800 Gramm, legte sich vor Freude auf den Rücken und reckte alle vier Beine in die Luft. Die Trüffel habe ich damals gegen einen Ochsen getauscht.“

Ende einer erfolgreichen Suche: Gefundene Trüffeln – © albanese-music

Er schaut liebevoll seine vierbeinigen Freunde an. „Und obwohl sie manchmal eine Trüffel mit den Zähnen angebissen und einen möglichen Schaden von einigen 100 Euro angerichtet haben, muss ich sie belohnen. Wenn sie keine Belohnung bekommen, zeigen sie mir nichts mehr.“  „Wie viel kostet so ein Trüffelhund?“, frage ich.

„Reinrassige Trüffelhunde gibt es nicht. Das sind meistens Mischlinge und sie sind wertvoll. Der Preis fängt bei 1.500 Euro an und kann bis weit über 20.000 € steigen. Doch ein guter Hund kann die Investition in zwei Wochen rechtfertigen“, erklärt Bepo. Seine Hunde würde er für kein Geld der Welt verkaufen. Sie sind Teil der Familie.

HEU, WEIN UND TRÜFFELN

Bepo fing mit 15 Jahren an zu suchen. Seine Eltern waren damals wütend, weil das ganze Dorf nach Trüffel stank. Er lief jeden Tag 50 bis 60 Kilometer, schlief drei Nächte im Heu. Von sieben Kilogramm Trüffeln, die er gefunden hatte, waren drei Kilogramm sein eigener Proviant. Er aß sie pur oder in der Pfanne auf dem Lagerfeuer gebraten. Und immer hatte er drei bis vier Liter Wein dabei. „Mein damaliger Hund trug die leere Flasche vom Feld mit nach Hause und brachte eine volle zurück“, erinnert er sich. „Der Hund verstand zuerst nur Italienisch und musste nach dem Krieg, als Istrien ein Teil Jugoslawiens wurde, Kroatisch lernen.“

Unter einer Pappel in der Nähe hat er einmal sechs drei Kilo schwere Stücke gefunden, erzählt er weiter. Sie waren so verfault, dass der Hund nicht weiter graben wollte. Danach gab es 23 Jahre unter diesem Baum keine einzige Trüffel mehr. Der Baum gab den Trüffeln die Kraft. Die 18 Kilo haben sowohl den Baum als auch die Trüffeln völlig erschöpft.

Trüffelsuchhunde sind sehr wertvolle Tiere. Sie kosten zwischen 1.500 und 30.000 Euro – (c) fotoprizma.com

Ob Bepo schon versucht hat, Trüffeln zu züchten, interessiert mich. „Das geht leider kaum“, erklärt er. „Doch einmal fand ich am Anfang der Saison eine von 500 Gramm. Ich habe sie wieder eingegraben, und nach sechs Wochen war sie 800 Gramm schwer.“ Ende November sind die Weißen Trüffeln am besten. Je weißer die Haut und dunkler das Fleisch, desto besser ist die Trüffel.

„Zu Titos Zeiten wussten die Bauern nicht, wie wertvoll die Trüffeln sind. Damals haben wir sie hauptsächlich nach Italien geschmuggelt. Das war nicht einfach, denn sie riechen so intensiv.“ Er schwelgt in Erinnerungen. „Wir haben sie in ein Tuch eingewickelt und in eine Plastiktüte gelegt, die Tüte wieder in ein Tuch gewickelt und das Tuch mit Benzin begossen. Das Ganze haben wir dann in Autoreifen versteckt und so sind wir über die Grenze gefahren. Die Grenzpolizisten von damals waren hart. Ihre Hunde auch, aber wir konnten ihre Nasen überlisten.“

„Die meisten verkaufen wir auch heute noch nach Italien. Offiziell selbstverständlich“, schmunzelt er. „In Alba könnten sie ohne istrische Trüffeln den Laden schließen. Das ist in der Trüffelszene eine bekannte Tatsache.“ Der Spaziergang ist langsam zu Ende und wir kehren zurück zum Restaurant Zigante, wo wir zu Mittag essen wollen. Auf dem Parkplatz sind einige Sportwagen aus Italien geparkt.

DIE VERSUCHUNG TRÜFFEL

„Gibt es hier auch Schlangen?“, will ich noch wissen. „Selbstverständlich, aber die sammle ich nicht“, antwortet Bepo wie selbstverständlich, während er mit einem kleinen Besen seine Stiefel säubert. Meine Stiefel sind bereits sauber, und ich betrachte die zwei neuen Auszeichnungen am Eingang des Restaurants Zigante: MasterCard „World Priceless“ und die neuen Michelin Guide Auszeichnungen. Und ich freue mich darauf.

Trüffeln – das weiße Gold Istriens – © albanese-music

Im Restaurant ist es angenehm voll. Žarko, mein Lieblingskellner, begrüßt uns mit Handschlag. Žarko, der seit über zwei Jahrzehnten in diesem Gourmettempel serviert, ist eigentlich Tierarzt, doch die Trüffeln halten ihn hier gefangen. Er bringt uns zum Tisch und ich genieße die Düfte. Der Geruch von Trüffeln erinnert an den Geruch von reifem Knoblauch, frisch gemähtem Gras, Laub oder Moos – doch sie schmecken wesentlich milder, als der Geruch es vermuten lässt.

WIE DAS PARFÜM EINER FRAU

Während wir auf das Essen warten, möchte ich noch mehr erfahren: „Wie erkenne ich eine verdorbene Trüffel?“ – „Am Geruch“, meint Bepo, „und eine verdorbene Trüffel ist einfach nicht mehr fest.“ Und wie lagert er die Trüffeln? „Ich wickle sie in ein Papiertuch und lege sie ins Eier Fach in den Kühlschrank. Das Trüffelaroma erobert auch die Eier, und am nächsten Tag mache ich mir ein leckeres Rührei.“

Bepo lacht plötzlich. „Ein Chinese hat seinem Chef in China Weiße Trüffeln aus Istrien geschenkt und als ‚Weißes Gold‘ gepriesen. Sein Chef hat die Trüffeln wie Gold in den Tresor eingelagert. Die Überraschung war groß, als er nach einigen Wochen den Tresor wieder öffnete.“ Die Geschichte heitert uns auf.

„Wie bereitest du sie am liebsten zu?“ – „Na ja, Trüffeln sind wie das Parfüm bei einer Frau.“ Während wir mit einem Glas Malvasia anstoßen, redet Bepo wie ein Verliebter. „Sobald die Trüffel das Essen ‚berührt‘, veredelt sie es. Je einfacher das Gericht, desto besser kommt das Trüffelaroma zur Geltung.“ Geheimnisvoll, fast magisch – denke ich und genieße das hervorragende Rinderfilet mit Weißen Trüffeln.

Die wohl wertvollsten Lebensmittel der Welt: Weiße Trüffeln – © albanese-music

Beim Abschied vor dem Restaurant Zigante umarmen wir uns, wie alte Freunde und Bepo wechselt auf die andere Straßenseite, wo vor einer einfachen istrischen Konoba ein ebenso alter Herr an seinem Weinglas nippt. Zu ihm angekommen, dreht sich Bepo zu mir: „Das da ist mein alter Freund, der Ex-Polizist, der mir damals, zu Titos Zeiten, gnadenlos auf den Fersen war“.

Er klopft seinen alten Widersacher auf die Schulter: „Ein harter Knochen“.  Die zwei alten Männer, die Geschichte Istriens mitgeschrieben haben, stoßen ihre Weingläser zusammen und verlieren sich lachend gemeinsam über die alten Zeiten…

Wissenswertes über Trüffeln

Baronin Barbara von Hütterott, die am Anfang des 20. Jahrhunderts das Trüffelgeschäft in Istrien aufbaute, erkundigte sich bereits damals, ob es möglich sei, eine Lebensversicherungs-Police auch für Trüffelhunde abzuschließen.

1999 fand Giancarlo Zigante die größte weiße Trüffel der Welt – 1.311 Gramm – und steht damit im Guinnessbuch der Rekorde. Die Trüffel im Wert von damals über 10.000 DM hat er nicht verkauft, sondern in einem ebenso Guinness-Buch gewinnverdächtigen großen Omelett mit der Dorfgemeinschaft verzehrt.

IGOR ALBANESE

 

Link zu Webseite von IGOR ALBANESE:

http://www.albanes-music.de

Demnächst lesen SIE an gleicher Stelle die 4. Folge der  Serie „Igors Istrien“

 

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