2. November 2024

Reiner Rhefus: Der Historiker, der das Wuppertal bestens kennt

„Update“ heißt unsere Serie, in der Matthias Dohmen, Journalist, Dozent und Historiker, Persönlichkeiten aus dem Bergischen Land vorstellt. Mit alten und neuen Texten. Mit Fotos und Dokumenten. Menschen, die ihm etwas bedeuten. Diesmal steht Reiner Rhefus im Fokus.

Der Historiker Reiner Rhefus, der Wuppertal wie seine Westentasche kennt, in den Räumen der ehemaligen „Konsumgenossenschaft Vorwärts“ in Barmen – © Paul Coon

Manche Protagonisten kennt man gut, andere weniger. Ob bekannt oder weniger bekannt: Wer ihre Portraits liest, möchte vermutlich die eine oder den anderen persönlich kennenlernen. Bisher hat Dr. Matthias Dohmen an gleicher Stelle Uwe Blass, Dorothea Brandt, Karin Brehm, Klaus Burandt, Christine Flunkert, Uwe Flunkert, Peter Klassen, Heidemarie Koch, Werner Kleine, Johannes Nattland, Josa Oehme, Willfried Penner, Klaus Saalmann, Erika Schneider, Ingrid Schuh, Hermann Schulz, Klaus Schumann, Klaus Waller Michael Walter und Wolf von Wedel Parlow vorgestellt.

Mit Wuppertal, einer von den Historikern in seinen Augen etwas stiefmütterlich behandelten Region, befasst sich Reiner Rhefus seit Jahrzehnten. Eine Ausstellung über das Inflationsjahr und die Besetzung des Ruhrgebiets 1923 und die damit verbundenen politischen Auseinandersetzungen stand letztes Jahr auf dem Programm, die großen Streiks zum Erhalt des Achtstundentages im Jahr 1924 waren es in diesem Jahr – sinnigerweise in einem Gebäude, das in der Weimarer Republik eine große Verkaufsstelle der Konsumgenossenschaft beherbergt

Reiner Rhefus hinter dem ältesten der drei „Engels-Denkmäler“ im Engels-Garten. Am Standort des im Krieg zerstörten Elternhauses von Friedrich Engels errichtete die Stadt Wuppertal 1957 diesen Gedenkstein. 1981 und 2014 wurden zwei weitere Denkmäler errichtet – von dem Österreicher Alfred Hrdlicka und Zeng Chenggang aus der Volksrepublik China – © Foto: privat

Wuppertal (Barmen und Elberfeld), Remscheid und Solingen waren Schwergewichte in der sich formierenden SPD des 19. Jahrhunderts. Drei der sechs Mitglieder des Rates der Volksbeauftragten (1918), der in Heidelberg geborenen Friedrich Ebert (Elberfeld/Barmen), Wilhelm Dittmann (Remscheid/Lennep/Mettmann) und Philipp Scheidemann (Solingen), hatten ihre Reichstagswahlkreise im Bergischen Land.

Reiner Rhefus ist stolz darauf, Persönlichkeiten wie Hugo Hillmann, 1863 einer der zwölf Mitbegründer des ADAV, oder Wilhelm Gewehr (1857-1913), langjähriger SPD-Bezirksvorsitzender im Rheinland, zum linken Flügel gehörig, in Aufsätzen, Vorträgen, Ausstellungen und erklärenden Tafeln im öffentlichen Raum vor dem Vergessen zu bewahren.

Friedrich Engels in Wuppertal – Reiner Rhefus – Verlag VSA – ISBN-10: 3964880655 – ISBN-13: 978-3964880659

Reiner Rhefus wurde 1957 in Düsseldorf geboren. Er absolvierte eine Lehre als technischer Zeichner in einem großen Düsseldorfer Metallbetrieb (1973) und wurde dort gewerkschaftlich und politisch sozialisiert. Über den zweiten Bildungsweg und ein Studium brachte er es zum Diplom-Sozialpädagogen. Er organsierte erste Stadtführungen, die unter dem Motto standen „Grabe, wo du stehst“. 1984 heuerte er bei der Volkshochschule Wuppertal an.

Hier faszinierte ihn die Geschichte und die reichhaltigen Bausubstanz der Stadt (4.500 Baudenkmäler, insbesondere Industriegebäude und Arbeiterviertel). Seit 1995 organisierte er stadthistorische Führungen und Projekte. Von 2000 bis 2003 war er im Kulturbüro der Stadt Wuppertal verantwortlich für Stadtgeschichte und Industriekultur.

2004 wechselte er ins Historischen Zentrum Wuppertal, in dem er sich schwerpunktmäßig mit dem Museumsprogramm, Kontakten zu Geschichtsvereinen, Geschichtsfesten, Museums- und Stadtführungen zu Friedrich Engels und mit der Sozial- und Industriegeschichte, Stadteilgeschichte und Geschichte der Arbeiterbewegung beschäftigte.

Durch Tunnel und Viadukte – Reiner Rhefus – Verlag Netzwerk Bergisches Land – ISBN-10: 3981698126 – ISBN-13: 978-3981698121

Die Konsumgenossenschaft „Vorwärts“

In das Jahr 1999 fallen Initiierung und Konzeption einer Plakette zur Erinnerung an die Barrikadenkämpfe während des Bergischen Aufstandes im Mai 1849 in Elberfeld. Es gelang Rhefus, die örtliche IG Metall als Projektträger und die bekannte Künstlerin Ulle Hees als Gestalterin zu gewinnen. In demselben Jahr stieß er die Unterschutzstellung der ehemaligen Wuppertaler Konsumgenossenschaftszentrale „Vorwärts“ an, die von den Nazis aufgelöst und als SA-Kaserne genutzt worden war.

Das Hauptgebäude der ehemaligen Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ in der Münzstraße in Barmen – © Paul Coon

Reiner Rhefus ist Mitbegründer des „Fördervereins Konsumgenossenschaft Vorwärts e.V.“.  Schließlich entstand 2014 eine Dauerausstellung zur Geschichte der Konsumgenossenschaften im Rheinland – und zwar in der Oberen Etage des Gebäudekomplexe in der Münzstr. 41, in der früher die Mehlsäcke für die im Stockwerk darunter liegende Großbäckerei gelagert wurden.

Die spannende Ausstellung hat den Titel „Mit uns zieht die neue Zeit – Vorwärts und die Konsumgenossenschaften im Rheinland“. Sie zeigt 125 Jahre Industrie- und Sozialgeschichte und kann an  jedem ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.

Inzwischen ist Dr. Stefan Kühn, langjähriger Sozialdezernent der Stadt Wuppertal, rühriger 1. Vorsitzender des Fördervereins.

Hier der Link zur Webseite des „Fördervereins Konsumgenossenschaft Vorwärts e.V.“:

http://www.vorwaerts-muenzstrasse.de/

(Einen ausführlichen Bericht über die bewegte Geschichte der „Konsumgenossenschaft Vorwärts“ und über die Ausstellung lesen Sie in Kürze in der STADTZEITUNG)

Mitbegründer Reiner Rhefus (r.) mit Dr. Stefan Kühn, neuer 1. Vorsitzender des „Fördervereins Konsumgenossenschaft Vorwärts“ in der Ausstellungs-Etage – © Paul Coon

Die Geschichte Wuppertals ließ Reiner Rhefus keine Ruhe. Es folgten Zeitzeugen-Befragungen, Führungen, Ausstellungen zur Geschichte des Gebäudes, 2004 die Gründung eines Fördervereines, der bauliche Erhaltungsmaßnahmen anstieß und Schülerprojekte organisierte.

Als Mitarbeiter des Museums für Frühindustrialisierung und des Engels-Hauses leitete Reiner Rhefus verschiedene Arbeitskreise, in denen er gemeinsam mit Ehrenamtlichen und Zeitzeugen Themen der Stadtgeschichte bearbeitete und besondere Areale erforschte.

So etwa den Arbeitskreis zur Textilgeschichte, der eine industriehistorische Route „Textil im Wuppertal“ zustande brachte und die „Geschichtswerkstatt Wuppertal, ein Kooperationsprojekt der Abteilung Wuppertal des Bergischen Geschichtsvereins und der Stadt Wuppertal, in der sich zahlreiche stadtteilbezogene Arbeitskreise zusammenfanden, um 13 lokale Industrie- und sozialgeschichtlichen Routen zu entwickeln.

Darunter befindet sich auch die Route durch eines der markantesten Wuppertaler Arbeiterviertel, den „Ölberg“. In dieser Route werden der Alltag im Arbeiterviertel und die Arbeiterbewegung 1875 bis 1914 thematisiert. Bis 2014 sind in diesem Rahmen rund 350 beschilderte Orte entstanden, die die Entwicklung der Industriestadt Wuppertal dokumentieren und erzählen.

Empor aus der Nacht zum Licht – Reiner Rhefus – Klartext Verlag – ISBN-10: 3837520285 – ISBN-13: 978-3837520286

Die Routen, etwa entlang der Schwebebahn oder einer aufgelassenen Eisenbahntrasse – heute ein Radweg – und durch interessante Stadtteile sind zugleich exemplarisch zur Entwicklung deutscher Industriestädte zu lesen. (https://www.mi-wuppertal.de/industriekultur/routen-industriekultur).

Ausstellung zur Novemberrevolution 1918/19

Unbedingt erwähnenswert sind noch 2018/19 eine Ausstellung zur Novemberrevolution 1918/19 im Wuppertal im alten Elberfelder Rathaus und die Präsentation „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ zum runden Geburtstag des engen Freundes von Karl Marx.

Anlässlich des Jubiläums, des 200. Geburtstages von Engels, erarbeitete Rhefus fünf thematische Stadtführungen auf den Spuren von Friedrich Engels. In Erwartung einer großen Nachfrage bereitete er eine Gruppe von Stadtführerinnen und Stadtführern auf diese Aufgabe vor.

Dieser Kreis befasst sich auch weiterhin mit Engels und bietet 2024 etwa einen Bildungsurlaub zum Thema Engels an, siehe https://www.aul-bergmark.de/seminare/seminardetails/eine-unze-praxis-ist-besser-als-eine-tonne-theorie-friedrich-engels-und-wuppertal-erwander.html

Rhefus hat zahlreiche Arbeiten zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung veröffentlicht, darunter „Spurensicherung 1920 – Der Arbeiteraufstand gegen den Kapp-Putsch“, Essen 2000, „Empor aus Nacht zum Licht. Die Revolution von 1918-1919 im Wuppertal: Schauplätze, Ereignisse und Akteure“, Essen 2018, und „Friedrich Engels im Wuppertal. Auf den Spuren des Denkers, Machers und Revolutionärs im ‚deutschen Manchester‘“, Hamburg 2020.

Dieses schöne Land, wenn man darin nur leben könnte – Reiner Rhefus – Verlag VSA – ISBN-10: 3964881104 – ISBN-13: 978-3964881106

Friedrich Engels und das Wuppertal

Eine größere Veröffentlichung über Wilhelm Gewehr und die Geschichte der SPD im Wuppertal und im Rheinland harrt noch der endgültigen Fertigstellung. Ebenso eine umfassende Darstellung der Beziehungen von Friedrich Engels ins Wuppertal.

Neben der Ausstellung zu den großen Streiks im Jahr 1924 ist hier im Herbst 2024 ein Bildungsurlaub zu Friedrich Engels geplant. Vielleicht entwickelt sich über das Wuppertal und das Bergische Land hinaus auch ein Austausch mit anderen Lokalitäten und Initiativen zu den angesprochenen Themen. Der Netzwerker und stellvertretende Vorsitzende der Wuppertaler Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins ist für jedwede Anregungen offen.

Dr. Matthias Dohmen    

 

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