8. November 2024Peter Pionke
Wolfgang Bosbach: Der Mann, der keine Phrasen drischt
Auch nach seiner aktiven Laufbahn als Berufspolitiker, in der er nie seinen rheinischen Humor verlor, hat sein Wort noch großes Gewicht. Wolfgang Bosbach ist ein gefragter Talkshow-Gast, nicht zuletzt, weil er kein „Phrasendrescher“ ist, sondern für jedermann verständlichen Klartext redet.
Und das macht er auch im „Hands auf Herz“- Interview, das wir mit ihm geführt haben.
DS: Um mit einem aktuellen Thema zu starten: Kevin Kühnert ist aus gesundheitlichen Gründen als SPD-Generalsekretär zurückgetreten. Ist Politiker ein Beruf, der die Protagonisten heute mehr als früher mental an ihre Grenzen führt bringt – und manchmal auch darüber hinaus?
Wolfgang Bosbach: „Natürlich geht es heute hektischer zu als früher, zu Zeiten der Bonner Republik. Informationen und Meinungen rasen in Bruchteilen von Sekunden rund um den Globus und viele hecheln hinterher, um auf der Höhe der Debatten zu bleiben. Es wird permanent gechattet und getwittert, der Daumen glüht. Nachteil: Zu oft geht Schnelligkeit vor Sorgfalt. Bei Spitzenpolitikern kommt hinzu, dass sie 24/7 unter öffentlicher Beobachtung stehen – nur kein falsches Wort! Mein Rat: Nie von der Politik auffressen lassen. Immer ‚familiy & friends‘ pflegen, den Hobbys nachgehen, ruhig mal die Seele baumeln lassen.“
DS: Sie haben Ihre politische Karriere 2017 beendet, u.a. auch mit der Begründung, dass Sie in wichtigen politischen Fragen die Haltung ihrer Partei nicht mehr mit Überzeugung vertreten könnten. Was hält Sie heute noch in der CDU?
Wolfgang Bosbach: „Ich bin 1972 nicht aus Versehen oder Zufall in die CDU eingetreten, sondern aus Überzeugung. Damals war ich – und heute bin ich es immer noch – der festen Überzeugung, dass die Union besser als die konkurrierenden Parteien Probleme lösen und unser Land in eine gute Zukunft führen kann. Das heißt nicht, dass ich immer mit allem einverstanden war oder bin. In einer Volkspartei werden Sie immer unterschiedliche Meinungen über den richtigen Weg finden.“
DS: Ihre Tochter Caroline strebt für die CDU ein Bundestagsmandat an. Welche Ratschläge können Sie ihr mit auf den Weg geben?
Wolfgang Bosbach: „Papa drängt sich nicht auf, aber wenn Caroline mal einen Rat braucht – immer gerne! Eltern können als eine Art Wegweiser fungieren, Leitplanken aufzeigen – aber den Weg für sie zu gehen, diese Mühe können wir unseren Kindern nicht abnehmen. Ich habe ihr gesagt: ‚Überlege Dir gut, ob Politik Dein Beruf werden soll. Wenn Du dazu ‚Ja!‘ sagst, mache es mit ganzer Kraft, mit ganzer Leidenschaft, guck nie auf die Uhr!‘ Caroline hat ja schon ein gehöriges Maß an politischer Erfahrung. Sie weiß, was auf sie zukommt und ich habe keinen Zweifel, dass Sie sich das Vertrauen der Menschen erarbeiten und rechtfertigen wird.“
DS: Gib es Politikerinnen oder Politiker, die Sie bewundern oder besonders schätzen?
Wolfgang Bosbach: „Wolfgang Schäuble habe ich immer bewundert. Unfassbar, mit welcher Energie, mit welcher Disziplin er sich trotz seines großen Handicaps für das Land aufgeopfert hat. Und Otto Graf Lambsdorff. Ich habe ihn während unserer eineinhalb Jahre dauernden Verhandlungen über die Entschädigung für NS-Zwangsarbeit kennen- und schätzen gelernt. Kompetent, klug, erfahren.“
DS: Was hat sich in Ihrer Wahrnehmung im Bundestag verändert, seit Parteien vom rechten und linken Rand wie die AfD und BSW dort vertreten sind?
Wolfgang Bosbach: „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das Eine sagt: ‚Gut, dass Du Dir das nicht mehr live und in Farbe antun musst‘. Das Andere: ‚Schade, dass Du mit denen, jedenfalls nicht mehr am Rednerpult des Bundestages, die Klinge kreuzen kannst!‘“
DS: Wie würden Sie mit den Abgeordneten der Parteien von den Rändern der Parteienlandschaft umgehen?
Wolfgang Bosbach: „Hart in der Sache, vernünftig im Ton. Rumbrüllerei sollte man denen überlassen, die inhaltliche Leere mit Lautstärke übertünchen wollen. Und nie pauschal deren Wählerinnen und Wähler beschimpfen, das war noch nie ein Erfolgsrezept.“
DS: Mit wem aus den Reihen von AfD und BSW würden Sie ein Bier trinken gehen?
Wolfgang Bosbach: „Abgesehen davon, dass ich aus diesen Reihen niemanden gut genug kenne. Um mit ihr oder ihm vertraut bei einem kühlen Kölsch zu plaudern -warum sollte ich das tun? Die knappe Freizeit verbringe ich lieber mit Menschen die mir nahe stehen, denen ich vertraue.“
DS: Viele wissen gar nicht, dass Sie gelernter Einzelhandelskaufmann sind, sogar einmal einen Supermarkt geleitet haben und dann erst auf dem 2. Bildungsweg das Abitur nachgemacht haben, um dann Rechtswissenschaft zu studieren und letztlich Rechtsanwalt zu werden. Warum haben Sie diesen Umweg genommen?
Wolfgang Bosbach: „Weil es mir mit 16 Jahren noch nicht einmal im Traum in den Sinn gekommen, später einmal Rechtsanwalt und Abgeordneter, also Berufspolitiker. zu werden. Ich habe erst im Laufe der Zeit gemerkt, dass ich gerne diesen Weg einschlagen würde und bin ihn dann konsequent gegangen. Aus der Zeit im Handel habe ich viel auch für die Politik gelernt. So ganz ohne Berufserfahrung und nur spärlicher Lebenserfahrung politisch an den Start zu gehen, ist problematisch. Man muss die Lebenswirklichkeit jener kennen, für die man Entscheidungen trifft.“
DS: Sie waren aktiver Spieler der Politiker-Fußballmannschaft FC Bundestag. Wer waren Ihre Mitspieler?
Wolfgang Bosbach: „Und das war ich von Herzen gerne! Alle Mitspieler aufzuzählen würde den Rahmen sprengen, aber es waren auch illustre Namen dabei, wie Norbert Lammert oder Peter Ramsauer. Und natürlich Joschka Fischer. Bester Spieler und Kapitän war zu meiner Zeit Klaus Riegert (Sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU). Der konnte unfassbar gut kicken.“
DS: Für welchen Verein schlägt denn Ihr Fußball-Herz?
Wolfgang Bosbach: „Seit über 60 Jahren für den 1. FC Köln. Mit anderen Worten: Ich weiß, was Schmerzen sind.“
DS: Welche Fußball-Regeln sollten auch im Bundestag gelten?
Wolfgang Bosbach: „ ‚Abseits‘ gibt es im Parlamentsbetrieb nicht, aber auch dort wird leider oft „Foul“ gespielt. Halb- und vor allem glatte Unwahrheiten in Debatten gehören in diese Kategorie. Daher: Hier wie dort immer schön an die Spielregeln halten.“
DS: Ein nettes Kuriosum ist, dass Ihre Frau Sabine, die Sie 1987 geheiratet haben, genau wie Sie mit Nachnamen Bosbach heißt, obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Sie konnte also ganz normal ihren Mädchenamen behalten. Ein Doppelname kam ja wohl gar nicht erst in Betracht – oder?
Wolfgang Bosbach: „Nein, nicht wirklich. Bosbach-Bosbach als Nachname wäre auch kurios gewesen.“
DS: Wie viele Eltern sind Sie für ein Verbot von Computer-Killerspielen. War Ihnen nicht klar, dass das ein Kampf gegen Windmühlenflügel werden würde?
Wolfgang Bosbach: „ Jein. Dass diese Abteilung eine starke Lobby hat, war mir immer klar, aber dass auch aus dieser Ecke mit versteckten Fouls gespielt wird, hat mich in diesem Ausmaß schon überrascht. ‚Bosbach fordert Verbot von Videospielen‘ war so ein Unsinn. Es ging immer nur um schwer jugendgefährdende Inhalte. Aber mit ruhiger Argumentation durchzudringen, ist gegen Polemik kaum möglich.“
DS: Sie sind ein beliebter und gern gesehener Gast in den deutschen Talkshows, weil Sie Dinge auf den Punkt bringen und nicht wie viele Ihrer Kollegen herumschwafeln. War Ihnen diese Gabe schon immer gegeben?
Wolfgang Bosbach: „Offensichtlich. Ich war schon immer Fan von Subjekt-Prädikat-Objekt und bin gerne auch rhetorisch geradeaus. Auch auf die Gefahr, dass nicht jeder meine Meinung teilt. Ist doch ok. Es gibt zu allen Themen unterschiedliche Ansichten.“
DS: Was Ihre Gesundheit angeht, hat Sie das Schicksal nicht gerade verwöhnt. Sie tragen einen Herzschrittmacher und Sie haben 2010 eine unheilbare Prostataerkrankung öffentlich gemacht. Wie schwer fällt es Ihnen, die Angst vor dem Tod in den Griff zu bekommen?
Wolfgang Bosbach: „Warum sollte ich Angst haben? Wenn er kommt, bin ich ja weg! Außerdem habe ich immer noch derart viel um die Ohren, ich komme gar nicht erst zum permanenten Grübeln.“
DS: Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium ist ja erst einmal eine Schock-Diagnose und fühlt vermutlich an wie ein Todesurteil. Doch Sie haben bewiesen, dass es das nicht so sein muss. Sie leben seit 14 Jahren mit dieser Krankheit – und hoffentlich noch sehr lange! Wie hat sich Ihr Umgang damit im Laufe der Jahre verändert?
Wolfgang Bosbach: „Man wird gelassener. Nicht unbedingt sorglos, natürlich mache ich mir angesichts der vielen Arzt- und Krankenhaustermine Gedanken, aber wenn sich jemand über Nichtigkeiten aufregt sage ich mir: ‚Dessen Sorgen möchte ich haben! Wir können gerne tauschen!‘“
DS: Männer gelten bekanntlich als Vorsorge-Muffel. Wie würden Sie diesen vermeintlichen Helden, die jeglichen Arztbesuch scheuen, ins Gewissen reden?
Wolfgang Bosbach: „Ich war auch so ein Muffel. Runter vom Sofa und auf zur Vorsorge. Die zwei Männer-Standard-Ausreden – ‚Mir fehlt ja nix oder im Moment ist das zeitlich ganz schlecht‘ – kann man später teuer bezahlen.“
DS: Auf jeden Fall haben Sie Ihren Humor nicht verloren. Sie gelten als Frohnatur. Was bedeutet für Sie der Karneval, bei dem Sie schon zahlreiche Auszeichnungen einkassiert haben?
Wolfgang Bosbach: „Loslassen vom Alltag, Sorgen vergessen, Politik, Politik sein lassen, unbeschwerte Fröhlichkeit.“
DS: Man könnte respektlos fragen: Was unterscheidet eine Bundestags- von einer Bütten-Rede?
Wolfgang Bosbach: „Fast alles. Mit einer Ausnahme: Humor gibt es hier und dort. Im Plenum allerdings meistens unfreiwillig.“
DS: Wie und wann haben sich die Wege von Ihnen und Ulli Potofski, einem der beliebtesten Sportreporter Deutschlands, gekreuzt?
Wolfgang Bosbach: „Vor einigen Jahren in kürzester Zeit bei ganz verschiedenen Anlässen derart häufig, dass Ulli mir mal gesagt hatte: Du CDU, ich SPD, Du FC Köln, ich Schalke 04. Aber beide Jahrgang 1952. Da sollten wir mal was draus machen. So entstand das Buch „52 – ein Jahrgang, zwei Leben!“ Gerade erscheint die zweite, aktualisierte Auflage.“
DS: Was planen Sie in den nächsten Jahren – einen Wolfgang Bosbach im Lehnstuhl kann sich ja niemand vorstellen?
Wolfgang Bosbach: „Ich sage Bescheid, wenn es so weit ist! Bis dahin: Weitermachen wie bisher. Alles machen, was ich machen möchte und noch machen kann. Und dabei Familie, Freunde und Frohsinn nicht vergessen.“
DS: Vielen Dank für das offene, ehrliche und informative Gespräch.
Das Interview führte PETER PIONKE
Über Wolfgang Bosbach
Wolfgang Walter Wilhelm Bosbach wurde am 11.06.1952 in Bergisch Gladbach geboren. Nach der Mittleren Reife machte er zunächst eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und war von 1972 – 1974 Leiter eines COOP-Supermarktes
Auf dem 2. Bildungsweg holte er 1974 sein Abitur nach. Danach Studium der Rechtswissenschaft an der Uni Köln. Abschluss 2. Staatsexamen 1991 – anschließend Tätigkeit als Rechtsanwalt.
Wolfgang Bosbach ist seit 1972 Mitglied der CDU und hatte von 1994 – 2017 ein Bundestagsmandat inne. Er war von 2000 – 2009 stellv. Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union (CDU/CSU) und von 2009 – 2015 Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses.
2017 Rückzug aus der Politik mit der Begründung, dass er in wichtigen politischen Fragen die Haltung seiner Partei nicht mehr mit Überzeugung vertreten könne.
Wolfgang Bosbach war aktiver Spieler des FC Bundestag und gehörte dem Fernsehrat des ZDF an. Als Schirmherr der Initiative „Hits für Hospiz“ ist er Unterstützer der Hospizbewegung.
1987 heiratete er Sabine Bosbach – die zufällig den gleichen Nachnamen hatte Gemeinsam haben sie 3 Töchter: Natalie, Caroline und Viktoria. Tochter Caroline will für die CDU für den Bundestag kandidieren.
Wolfgang Bosbach leidet seit 1994 an einer Herzinsuffienz und trägt seit 2004 einen Herzschrittmacher mit kombinierten Defibrillator. 2010 machte er in der Talkshow von Markus Lanz seine Prostatakrebs-Erkrankung öffentlich.
Er ist Ehrensenator der Düsseldorfer Karnevals KG Weißfräcke und erhielt die Auszeichnung „Ritter der Freude“ von der „Neuen Pulheimer Karnevals KG“.
Wolfgang Bosbach ist als Buchautor sehr erfolgreich. Gemeinsam mit dem beliebten Sportjournalisten Ulli Potofski veröffentlichte er 2020 das Buch „52 – ein Jahrgang – zwei Leben“, das gerade in 2. Auflage erscheint. Mit dem Starkoch und Christian Rach produziert er seit vier Jahren regelmäßig den Podcast „Die Wochentester“.
BUCH-LESUNG
Wolfgang Bosbach und Ulli Potofski sind am 13.01.2025 (20 Uhr) zu Gast in der Kunst- und Kultur-Galerie S-Art (Lindengalerie – Lindenalle 10 – 45127 Essen). Im Rahmen der S-Art-Autoren-Reihe „SHARY’S LesART“ präsentieren sie spannende Geschichten aus ihrem gemeinsamen Buch „52 – ein Jahrgang – zwei Leben“.
Tickets unter http://s-art.reservix.de/events
und an der ABENDKASSE
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