12. November 2024Peter Pionke
Trendsport Gehfußball in Wuppertal auf dem Vormarsch
Was da aussieht wie „Standfußball“ und normalerweise harsche Kritik auf den Rängen auslösen würde, ist in diesem Fall ausdrücklich erwünscht. „Nicht laufen“ ist sogar eine Aufforderung, ja ein Muss und wird bei Nichtbeachtung mit einem Freistoß für die gegnerische Mannschaft geahndet. Verrückt? Nein, Laufen oder gar Sprinten – beim Walking Football sogar streng verboten. Kicken im Schritttempo ist angesagt.
Mit geringer Verletzungsgefahr können damit auch ältere Menschen Fußball spielen. Angesprochen sind die betagten Männer, die noch nicht auf den Ball verzichten möchten und sich jenseits der 55 Lebensjahre befinden. Aber auch Frauen werden beteiligt, hier gilt das 45. Lebensjahr als Eintrittsaltersgrenze.
„Walking Football“ – Fußball mit angezogener Handbrems! Die Idee stammt aus dem Mutterland des Fußballes und wurde 2011 vom FC Chesterfield Community Trust in Großbritannien erstmals initiiert. Inzwischen bestreiten in England nahezu 1.000 Mannschaften dieses neuartige Spielart. Mehr noch, seit 2016 gibt es in England mit der Walking Football Association (WFA) einen eigenen Dachverband, in dem 366 Clubs organisiert sind.
Die WFA etablierte 2018 ein Nationalteam und das erste Spiel fand im Mai 2018 gegen Italien statt. International ist Walking Football in der FIWFA organisiert, einem internationalen Dachverband, in dem 19 nationale Verbände registriert sind. Über die Niederlande gelang „Walking Football“ nach Deutschland und etablierte sich schon in vielen namhaften Vereinen, wie dem Hamburger SV, FC Schalke 04 oder Bayer 04 Leverkusen. Allein im Landesverband Berlin wird dieser Sport inzwischen von zehn Vereinen ausgeübt.
Rainer Stachelhaus (64) hat jetzt diese Idee des „Walking Footballs“ auch zum Elberfelder Hardenberg getragen, wo er mit seinen Sport-Kameraden viele Jahre dem Fußball hinterhergelaufen ist, sie aber inzwischen aus den Augen verloren hatte. Sein Gefühl beschreibt er mit einem Lächeln so: „Die Ballfreude ist noch sehr ausgeprägt und man freut sich über jeden Ball, der einem aus welchem Grund auch immer vor die Füße rollt. Ich denke, dass kennen die meisten Ballsportler im fortgeschrittenen Alter!“
Inzwischen hat er ein gutes Duzend interessierter ehemaliger Union-Spieler mit Hilfe von Vereins-Urgestein Harald Bingel und dessen Vereinsarchiv ausfindig machen und gewinnen können. Sie „gehen“ jetzt im wahrsten Sinne des Wortes mit ihm jeden Donnerstag Abend dem neuen Hobby nach.
Spielanleitungen vom FC Schalke 04
In Wuppertal fand „Walking Football“ erstmals beim SSV Germania 1900 am Freudenberg statt. Geschäftsführer Friedhelm Bursian (77) gründete 2018 eine entsprechende Abteilung, nachdem er sich beim FC Schalke 04 bei den ehemaligen Fußballgrößen Klaus Fischer und Matthias Herget in die Geheimnisse dieser Spielart hat einweihen lassen.
Beim SSV1900 hat man die Spiel-Idee schon weiter entwickelt, stellt rund 25 Spieler und hat bereits internationale Kontakte geknüpft. Zuletzt gab es Hin-und Rückspiele mit Wuppertals englischer Partnerstadt South Tyneside. Beim SSV freut man sich über den Zuwachs im Bergischen Raum, womit sich die Chance auf einen geplanten Ligabetrieb deutlich erhöht. Friedhelm Bursian: „Ich sehe in Wuppertal noch Luft nach oben, im Ruhrgebiet gibt es schon bald an jeder Milchkanne ein Walking Football-Team.“
Gespielt werden in der Regel vier Mal zehn Minuten mit einer Pause von jeweils fünf Minuten. Der Spaß, Fair Play und gesunde Bewegung in Gemeinschaft stehen im Vordergrund. Gespielt wird in zwei Mannschaften grundsätzlich mit je sechs Spielern. Die Spieler sollten mindestens 55 Jahre alt sein, nach oben ohne Begrenzung. Das Spielfeld hat etwa die Maße 20 x 40 Meter. Damit bietet sich Walking Football sowohl für den Freiluftbetrieb als auch für die Sporthalle an. Die Tore sollten ein Meter hoch und drei Meter breit sein; es können aber auch Minitore verwendet werden.
Ein Fuß gehört auf den Boden
Jeder Spieler muss während der Bewegung immer einen Teil eines Fußes auf dem Boden haben. Die Spieler dürfen den Ball maximal hüfthoch spielen. Einen Torwart gibt es nicht. Die „Strafräume“ dürfen betreten werden, das Abseits ist also aufgehoben. Grätschen, Tacklings, harter Körperkontakt und Kopfball sind indessen untersagt.
„Walking Football“ ist so gesehen die neue „gesunde“, gelenkschonende Variante des Fußballs, insbesondere für Senioren. Geeignet besonders auch für Personen, die gesundheitliche Probleme mit Muskeln oder sogar dem Herzen haben oder hatten, aber weiterhin oder erneut mit der Kugel aktiv sein möchten. Fachleute betonen die unbestritten gesundheitsfördernden positiven Effekte, als da sind Herz-und Kreislaufsystem, Stabilisierung des Immunsystems sowie Vorbeugung, etwa bei Arteriosklerose und Diabetes.
Geselligkeit: Die „dritte Halbzeit“ gehört dazu
Fußballspezifisch kommen sogar noch die Stärkung von Kraft- und Balancetraining hinzu, wodurch auch das Sturzrisiko vermindert wird. Besonders wichtig für Reiner Stachelhaus: „Die Verbesserung der geistigen Fitness und soziale Kontakte“. Schließlich findet nach dem Spiel auch immer noch, wie bei den richtigen Fußballern früher, die dritte Halbzeit statt. Ein geselliges Beisammensein, zu dem herzlich eingeladen wird.
Text: Siegfried Jähne
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