19. November 2024

Prof. Korte: „Kanzler Scholz hat keinen Vokabular-Überschuss“

„Kanzler Scholz ist typischer Hanseat und hat keinen Vokabular-Überschuss“, so charakterisierte der durch Funk- und Fernsehen bekannte Politikwissenschaftler und Wahlanalyst Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte (66) den angeschlagenen deutschen Regierungschef bei der renommierten Netzwerkveranstaltung „STADTGESPRÄCHE.ruhr“. Die über 200 Gäste im Chorforum Essen quittierten den lockeren Spruch mit lautem Gelächter.

Moderator Jürgen Zurheide (r.) im Gespräch mit Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Der Dozent der Uni Duisburg und Direktor der NRW-School of Governance präsentierte sich als geistreicher und eloquenter Impulsgast. Seinen launigen Talk mit TV- und Rundfunk-Moderator Jürgen Zurheide stuften hinterher viele als eines des herausragenden Interview-Highlights der bisherigen „STADTGESPRÄCHE.ruhr“-Ära ein.

In seiner Begrüßungsansprache wies Initiator Dr. Richard Kiessler darauf hin, dass er, was die Aktualität angehe, keinen  besseren Impulsgast als Prof. Korte hätte einladen können. Da spielte natürlich auch der Zufall eine Rolle  Denn als der Wissenschaftler angefragt wurde, war die Berliner Ampel noch Realität.

Selbstverständlich stand die geplante, vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar 2025 im Mittelpunkt des Gesprächs. Der SPD rät Karl-Rudolf Korte, mit der Nominierung des Kanzlerkandidaten nicht bis Januar zu warten, weil sonst die Diskussionen rund um Scholz und Pistorius nicht aufhören und dadurch beide geschwächt würden.

Er geht von einem Duell zwischen Scholz und  Merz aus und ließ durchblicken, dass ihn beide Kandidaten nicht so richtig überzeugen. Sein flapsiger Kommentar: „Scholz und Merz das ist Schmerz“. Scholz lebe von der Hoffnung, das Kunststück von 2021 wiederholen zu können, als es ihm gelang, den CDU-Kandidaten Armin Laschet trotz eines großen Rückstands in den Umfragen noch zu überholen. Doch diesmal seien die Voraussetzungen völlig andere, kann Prof. Korte den Optimismus des spröden Hamburgers nicht so recht teilen.

Dr. Richard Kiessler, Initiator der STADTGESPRÄCHE.ruhr, mit Ehefrau Eva und Impulsgast Prof, Dr. Karl-Rudolf Korte – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

„Wie viele Fehler wird sich Friedrich Merz noch erlauben?“  bohrte Jürgen Zurheide nach. Da hat der Wissenschaftler eine klare Meinung: „Weniger als die anderen! Merz hat jetzt sein Lebensziel erreicht, die Umfragen sprechen für ihn und die CDU steht geschlossen hinter ihm.“

Robert Habeck attestiert der Uni-Dozent ein großes rhetorisches Talent und die Gabe, andere Menschen für sich einzunehmen. Sein Heizungsgesetz habe aber für einen Vertrauensabriss gesorgt, weil er damit das Zuhause-Gefühl vieler Menschen verletzt habe. Habeck hebe sich aber von vielen anderen Politikern ab, die immer behaupteten, die Bevölkerung schützen zu wollen. Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte: „Ich habe noch nie einen Wirtschaftsminister erlebt, der gesagt hat: ‚Ihr werdet jetzt alle ärmer und ich begleite Euch dabei‘.“

Die FDP und ihr Frontmann kommen gar nicht gut bei ihm weg: „Christian Lindner hat sich als Opfer inszeniert, doch in Wirklichkeit war er Täter. Und das wird sich am Wahltag rächen!“

Der bekannte Saxophonist Wolf Codera mit der Sängerin Camilla Urbanczyk – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Die AfD hat für Prof. Korte ihr Potential inzwischen voll ausgeschöpft. Und das begründete er so: Das Migrationsthema stehe inzwischen nicht mehr ganz oben auf der Agenda, dafür rücke die Wirtschaft wie schon  im US-Wahlkampf in den Vordergrund. Und bei dem Thema biete die Rechtsaußenpartei erst recht keine Lösungen an.

Der Politikwissenschaftler, der gerne auf Wochenmärkten einkauft, um dort mit ganz normalen Menschen ungefiltert ins Gespräch zu kommen, macht sich Sorgen um die Demokratie an sich. Der Diskurs habe sich verändert, viele Menschen lebten mittlerweile in einer Blase und ließen andere Meinungen gar nicht mehr zu.

Das, was Demokratie ausmache, dass man Kompromisse suchen müsse, finde heute immer weniger statt. Es gäbe eine politische Einsamkeit, die dort entstehe, wo sich der Staat immer mehr zurückziehe, wo keine Busse mehr verkehren, es keine Postfilialen oder Polizeiposten mehr gäbe.

Künstler Shary Azhdari (l.) mit dem Unternehmensberater Dr. Klaus-Peter Reintges – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Genau dort würden die Parteien der politischen Ränder immer stärker. Man könne allerdings gegensteuern. Prof. Korte: „Ganz klar: Investitionen gerade in die Infrastruktur sind ganz wichtig für die Freiheit und stärken die politische Mitte.“

„Der Wähler ist ein irrationales Wesen“, behauptet Wahlanalyst Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte in seinem aktuellen Buch „Wählermärkte“. Er liefert für seine These auch ein plakatives Beispiel: „Man sieht Leute beim Discounter einkaufen und trifft sie dann eine Stunde später in einer Luxus-Einkaufs-Passage wieder.“ Übersetzt heißt das: Genauso irrational oder unberechenbar ist auch der Wähler.

Umso berechenbarer war die Reaktion der über 200 Zuhörerinnen und Zuhörer nach einem gut 30 Minuten langen spannendem, informativem und hochkarätigem Polit-Talk: Tosender Applaus für Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte und  Moderator Jürgen Zurheide.

Impulsgast Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte beim Signieren seines aktuellen Buches „Wählermärkte“ – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Die Gesangs-Darbietungen der begnadeten Sopranistin Marija Grinevska, begleitet von Pianist Alexander Eberle, gepflegte, kühle Getränke und die von „Chefs & Butchers“-Chef und seinem Team servierten kulinarischen Leckerbissen rundeten eine sehr gelungene Netzwerk-Veranstaltung ab.

Text Peter Pionke

 

WÄHLERMÄRKTE

„Wahlverhalten und Regierungspolitik in der Berline Republik“

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte

Campus Verlag GmbH

231 Seiten

ISBN-13: 978 3593518350

 

 

 

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