4. Dezember 2024Peter Pionke
„Kommissbrot“ – Der Zwerg-Zyklop aus Hannover
Der Hanomag 2/10 gilt als Meilenstein der Autogeschichte. Warum?
Uwe Janoske: „Der Hanomag hatte als erstes Serienfahrzeug einen Mittelmotor, der in den 1930er Jahren später bei Rennwagen verwendet wurde. Außerdem zeichnete sich der Hanomag durch seine Pontonkarosserie aus, d.h. eine durchgehende Linie ohne aufgesetzte Kotflügel oder Trittbretter, die ebenfalls erstmalig in einem Serienfahrzeug zu sehen war und erst wieder in den 1940er Jahren in den USA zum Einsatz kam. Damit hatte der Hanomag bereits sehr früh eine Vorreiterrolle in der Automobilentwicklung.“
Es war 1925 erst der zweite Wagen, der in Fließbandfertigung komplett in Deutschland entwickelt wurde und darüber hinaus ein sehr großer Erfolg. „Zwei Kilo Blech, ein Kilo Lack – fertig ist der Hanomag“. Nach drei Jahren und fast 16.000 Wagen wurde die Produktion jedoch eingestellt. Warum?
Uwe Janoske: „Bereits damals hatte der Hanomag mit Konkurrenz zu kämpfen. Der 1924 in Serie gegangene Opel „Laubfrosch“ als auch der Dixi 3/15 (später BMW 3/15) waren von der Konzeption einem „richtigen“ Fahrzeug näher, da der Hanomag recht spartanisch ausgestattet war. Ein Einzylindermotor, der im Leerlauf zu hüpfenden Schwingungen führte und nur einer Türe, die aus Steifigkeitsgründen erforderlich war, wären sicherlich nicht heutiger Standard. Deshalb wurde 1928 die Produktion nach 15775 Exemplaren eingestellt.„
Das Modell erhielt schnell den Namen „Kommissbrot“. Wie kamen die Leute darauf?
Uwe Janoske: „Das ‚Kommissbrot‘ war ein einfaches Brot, das kastenförmig aussieht. Durch die durchgehende Linie des Fahrzeugs ohne aufgesetzte Kotflügel, erinnerte diese an einen Kasten, so dass der Name ‚Kommissbrot‘ für den Hanomag verwendet wurde.“
Das „Kommissbrot“ war gar nicht einfach zu starten und erforderte Feingefühl. Woran lag das?
Uwe Janoske: „Der Hanomag wird durch einen 502 cm³ Einzylindermotor angetrieben. Sein Start erfolgt über eine Kette und nicht wie üblicherweise durch eine Kurbel. Dabei kann es vorkommen, dass es beim Start einen heftigen Rückschlag gibt, den der Fahrer zu spüren bekommt.“
Im Leerlauf fühlte man sich darin wie auf einem Trampolin. Aus welchem Grund?
Uwe Janoske: „Bedingt durch die Schwingungen des Einzylinder-Motors, wurden diese direkt auf das Fahrzeug übertragen und die Blattfedern zu Schwingungen angeregt. Dadurch kam es zum „Hüpfen“ des Fahrzeugs.“
Seine Karosserieform ohne ausladende Kotflügel und Trittbretter machte ihn zum Pionier der Pontonform. Was bedeutet das?
Uwe Janoske: „Pontonform bedeutet, dass die Karosserie durchgehend glatt ist und ohne aufgesetzte Kotflügel besteht. Bei gleichen Außenabmessungen des Fahrzeugs war mehr Platz dadurch im ohnehin nicht üppigen Innenraum verfügbar.“
Der Hanomag 2/10 hatte nur einen Scheinwerfer und auch nur eine Tür. War das überhaupt erlaubt?
Uwe Janoske: „Ein Scheinwerfer war offiziell bis 1931 erlaubt.“
Zum Problem konnten die massiven Holzspeichenräder werden, die feucht gehalten werden mussten. Was passierte denn, wenn man das nicht tat?
Uwe Janoske: „Das Holz wurde spröde, wenn dies nicht gewässert wurde. Deshalb musste man an heißen Tagen die Speicherräder wässern, damit Schäden und Brüche durch spröde und damit weniger elastische Speichen entstanden.“
Hanomag in Hannover war aber noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts aktiv. Was produzierten sie?
Uwe Janoske: „Die Hannoversche Maschinenbau AG auch Hanomag genannt war ein bedeutender Fahrzeughersteller von PKW vor dem zweiten Weltkrieg. Danach wurden Nutzkraftwagen der Marken Hanomag und Hanomag-Hentschel gefertigt, bis schließlich in den 70er Jahren eine Eingliederung in den Mercedes-Benz Konzern erfolgte.“
Uwe Blass
Über Prof. Dr.-Ing. Uwe Janoske
Prof. Dr.-Ing. Uwe Janoske leitet den Lehrstuhl für Strömungsmechanik in der Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik an der Bergischen Universität.
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