7. Dezember 2024Peter Pionke
Die Devise des Trompeters Wolfgang Suchner: Weiterspielen
Manche Protagonisten kennt man gut, andere weniger. Ob bekannt oder weniger bekannt: Wer ihre Portraits liest, möchte vermutlich die eine oder den anderen persönlich kennenlernen. Bisher hat der Journalist und Autor Dr. Matthias Dohmen an gleicher Stelle Uwe Blass, Dorothea Brandt, Karin Brehm, Klaus Burandt, Christine Flunkert, Uwe Flunkert, Peter Klassen, Heidemarie Koch, Werner Kleine, Johannes Nattland, Josa Oehme, Hans Werner Otto, Willfried Penner, Reiner Rhefus, Klaus Saalmann, Erika Schneider, Ingrid Schuh, Hermann Schulz, Klaus Schumann, Klaus Waller, Michael Walter und Wolf von Wedel Parlow vorgestellt.
Ein wagnisreiches Leben: Der 1959 geborene Trompeter Wolfgang Suchner beschließt, die zweite Phase seiner Ausbildung zum Musiklehrer gar nicht erst zu beginnen, sondern sein Leben als freischaffender Künstler fortzusetzen. Sechs Jahre schon macht er Straßenmusik, spielt in verschiedenen Bands und hat sich schließlich auf Musiktheater verlegt.
Erster epileptischer Anfall 1991
Da trifft ihn 1991 ein epileptischer Anfall, ein „Grand Mal“. Ein Blutschwamm in seinem Gehirn hat ihn verursacht, ausgeblutet und die Fehlschaltungen bewirkt. Das kann jederzeit noch einmal geschehen, aber dann vielleicht tödlich enden. Besonders in Situationen, in denen großer Druck im Kopf entsteht – zum Beispiel beim Trompetespielen. Wolfgang weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Auch als Operationen den Schwamm und das Ausblutungsrisiko minimiert haben, bleibt da noch die Epilepsie. Und die wird er nicht mehr los. Wie lebt man mit einer bedrohlichen chronischen Erkrankung? Das ist die Frage, auf die seine berufliche Tätigkeit und auch das Buch eine Antwort geben.
Er spielt nämlich weiter. Trotz und wegen des Anfalls, der sich wiederholen kann, aber nicht wiederholen muss. Trompete zu spielen, ist sein Leben, das ihn über all die Jahre ins afrikanische Togo, nach Russland, Griechenland und die Schweiz oder auch nach Bremen, Stuttgart oder in das benachbarte Velbert geführt hat.
Zusammengearbeitet hat er mit Peter Kowald und Peter Brötzmann, der Bigband des WDR und anderen im Bergischen Land, national oder international bekannten Künstlern. Verbunden ist sein Name mit der Bergischen Seifenoper (1999 bis 2004) und der Barmer Küchenoper (2012 bis 2019).
Seit Anfang dieses Jahrzehnts liegt die künstlerische Leitung eines Projekts des Hauses der Jugend in Barmen in seinen Händen, bei dem es um Theater-Musik und Puppenbau geht. Lang ist auch die Liste seines Wirkens als Kabarettist und Schauspieler, das ihn nach Finnland, Weißrussland und in den Kongo führt.
Das Buch ist in knapp zwei Jahren entstanden, indem Suchner seinem Freund Hans Werner Otto Episoden seines Lebens erzählt, dieser sie niederschreibt und dem Musiker wieder zur Korrektur und „Verfeinerung“ vorlegt.
Wolfgang Suchner hat sich in Düsseldorf operieren lassen. Die OP ist laut Statistik in neunzig Prozent der Fälle erfolgreich. Der Wuppertaler Musiker gehört dann tatsächlich zu den neun Zehnteln, die gewissermaßen wiederauferstehen.
Ein Arzt bestärkt ihn
Was nun danach unternehmen? Sich schonen, wie mancher denkt, dass, so wenig zu tun wie möglich, das erträgliche Leben maximal verlängert? Wolfgang Suchner: „Was bleibt eigentlich von mir, wenn die Trompete wegfällt? Ich kann doch sonst nichts“ (S. 28). Doch ein Arzt bestärkt ihn genau darin: „Jede Nacht um halb drei ins Bett, das kann auch ein geregeltes Leben sein“ (S. 74). Er erinnert sich, dass für die Nazis Epileptiker unter „lebensunwertes Leben“ fiel.
Und dann passiert er doch, der Aussetzer, „einer mit Text“, der lange zehn Minute dauert und dann doch „überspielt“ wird. Spannend, spannend. Weitermachen ist die Devise, an die sich schon Moliere hielt.
Schließlich runden vier Beiträge aus ärztlicher Sicht und ein Glossar das überaus lesenswerte Buch ab. Vielen Dank, Wolfgang Suchner, vielen Dank, Hans Werner Otto. Hinfallen und aufstehen. Dem letzten Fall weicht niemand aus. Vorher also hinfallen und aufstehen.
Dr. Matthias Dohmen
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