13. Dezember 2024

„Monte Rosa“: Die Erlebniswelt dreier skurriler Bergsteiger

Sie packt heiße Themen der Gegenwart an. Klimawandel, Leistungsgesellschaft und Jugendwahn waren es diesmal, welche die Wienerin Teresa Dopler, Jahrgang 1990, in ihrem neuesten preisgekrönten Theaterstück „Monte Rosa“ aufgriff. Das Schauspiel Wuppertal brachte es in der Inszenierung von Peter Wallgram jetzt auf die Bühne des Barmer Theaters am Engelsgarten.

Auf dem Weg zum Gipfel des „Monte Rosa“: (v.l.) Kevin Wilke, Stefan Walz und Alexander Peiler – © Christoph Sebastian

„Monte Rosa“ ist der Name des gewaltigen Gebirgsstocks auf der Grenze zwischen der Schweiz und Italien, auf dem sich allein 18 der 82 Viertausender-Gipfel befinden. Dieses Bergmassiv inspirierte die Librettisten und Dramatiker schon seit mehr als 100 Jahren mit ganz unterschiedlichen narrativen Herangehensweisen.

Das 2021 uraufgeführte Theaterstück von Theresa Dopler arbeitet humorvoll die Beziehungen zwischen den Menschen vor dem Hintergrund einer Erlebniswelt dreier skurriler Bergsteiger auf, die in Dialogen von Alexander Pfeiler, Stefan Walz und Kevin Wilke drei Generationen verkörpernd spezifisch in herausragender Manier dargestellt werden.

Mehrdeutige Szenen der Besteigung

Da stellt sich dem Betrachter gar nicht mehr die Frage, ob hier im von Dunstwolken umgebenen Hochgebirge nicht tatsächlich ein Abbild der Gesellschaft gezeigt wird, in der das Überleben des Stärkeren dominiert. Hier ist es die Traurigkeit unseres Leistungsdenkens, sinnbildlich in der Einsamkeit der Gipfelstürmer.

Imponiergehabe hoch oben in der imposanten Bergwelt – © Christoph Sebastian

„Monte Rosa“ legt in einer seltsam verschobenen Welt des Hochgebirges die Absurditäten menschlichen Daseins frei. Drei Männer befinden sich in dem Bergmassiv, unterwegs als vereinsamte, selbst optimierende Einzelkämpfer, ihre Fragen reduzieren sich auf Route, Alter und Fitness.

Extremsport als Imponiergehabe

Das Ganze gipfelt in mehrdeutigen Entkleidungs- und Besteigungsszenen mit Imponiergehabe, die dann einer Fleischbeschauung gleichkommen. Jeder möchte der Bessere und Stärkere sein. Imponiergehabe: “Erst letzte Woche war ich wieder am Matterhorn.“

Der andere kontert: „Ich war erst gestern dort!“ Auf der Suche nach einem passenden Partner sich in Oberflächlichkeiten mit angeblichen Leistungen überbietend, taxieren sie einander. Dabei werden ganz merkwürdige Defizite in ethischen oder moralischen Bereichen aufgezeigt. Der Absturz eines Partners ist eine eher nebensächliche Marginalie.

Das ist wirklich der Gipfel: Alexander Peiler und Stefan Walz wollen sich als Bergsteiger gegenseitig beweisen, welch tolle Typen sie sind – © Christoph Sebastian

Das ganze Denken der Bergsteiger kreist unablässig und besessen um die Gipfelbesteigung. Körperlich gestählt und bestens ausgerüstet, bezwingen sie die erhabene Landschaft und fühlen sich hoch oben über allem. Nichts ist von Bedeutung, mit Ausnahme  des Aufstiegs auf den nächsten Gipfel, so als es gebe es kein Dasein abseits des Berges.“ Spürst Du auch so wenig?“ – „Ja, zum Glück“.

Leistungsstarke Seilschaften gesucht

Eine leistungsstarke Seilschaft zu finden, ist das erklärte Ziel der Alpinisten, für die sich am Ende zum Selbstzweck verkommene Partnerschaften schnell und skrupellos wieder auflösen. „Warst Du schon einmal unglücklich?“ fragt der Eine. Der Andere antwortet: „ Ja, aber immer nur für sehr kurze Momente, dann war ich jedes Mal schnell wieder glücklich…“

Ein verlorener Helm hat Bedeutung in der Geschichte, in der Gesichter vergessen werden und man nicht weiß, wie alt man ist. Ein innerer Konflikt wird deutlich: Sind wir überhaupt „richtige“ Bergsteiger? Der Berg wird brüchig, das Fundament löst sich mehr und mehr auf, der eindeutige  und  versteckte Hinweis auf eklatante Umweltprobleme.

Diesmal das Innenleben von Bergsteigern

Nachdem Teresa Dopler sich schon in ihren ersten drei Werken mit zeitgemäßen Themen wie dem Traum vom ländlichen Eigenheim und  Beziehungen auf eine Kreuzfahrt beschäftigt hat, landete sie auch diesmal einen Erfolg mit dem Innenleben von Bergsteigern.

Oberflächliche Gespräche während einer Rast: Die „Bergsteiger“ Kevin Wilke (l.) und Alexander Peiler – © Christoph Sebastian

Für den in Wuppertal lebenden und arbeitenden Tiroler Regisseur Peter Wallgram scheint das Stück geradezu  auf den Leib geschneidert zu sein. Sein Bühnenbild aus der Bergwelt kommt minimalistisch aber atmosphärisch eindrucksvoll rüber. Die Musik von Michael Mühlhaus ist gelungen, wenn auch die akustisch trennenden Szenen-Elementen nicht für geräuschempfindlichere Besucher gedacht zu sein scheinen.

Das empfehlenswerte Stück „Monte Rosa“  steht bis zum 13. April 2025 noch insgesamt sechsmal auf dem Spielplan des Theaters am Engelsgarten, das mit dem angrenzenden neuen Engelszentrum sehr gewonnen hat.

Text: Siegfried Jähne 

 

Link zur Webseite der Wuppertaler Bühnen:

http://www.wuppertaler-buehnen.de

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