17. Dezember 2024Peter Pionke
Gottseidank: Bruder Dirk vor Weihnachten wieder fit
Bruder Dirk: „Zu 95 Prozent bin ich wieder gesund und kann wieder anpacken. Mein Motto als Mensch und Mönch lautet ja: Arbeit, die einem vor die Füße fällt, muss getan werden.“ Diese pragmatische Weisheit steht nicht in der Bibel. Er ist sehr dankbar dafür, das sich Gemeindemitglieder um das Kloster und die Außenanlage gekümmert haben während er zur Behandlung seines linken Fußes in der Klinik lag.
Seit 2014 lebt Bruder Dirk (65), der mit bürgerlichem Namen Dirk Wasserfuhr heißt, allein in dem idyllischen Kloster am Beyenburger Stausee. Draußen auf dem kleinen Kreuzherren-Friedhof liegen seine 24 Brüder begraben. Ein Orden, der buchstäblich ausstirbt. „In ganz Deutschland gibt es außer mir nur noch einen Kreuzherren“, verrät der Mönch, der mit seiner liebevollen, verständnisvollen Art die Herzen der Menschen berührt.
Dass der Kirchenmann durchaus auch großen Spaß an weltlichen Dingen hat, bewies er dieses Jahr. Er schoss bei der Schützenbruderschaft St. Annae et Katharinae den Vogel ab und ist jetzt amtierender Schützenkönig. Der durchsiebte Holzvogel, den sein Bruder Guido geschnitzt hatte, schmückt jetzt eine Wand im Kloster.
Der weltoffene Mönch erzählt schmunzelnd, wie aus einem friedvollen Kirchenmann ein waschechter Schützenkönig wurde: „In den letzten Jahrhunderten waren schon mehrere Kreuzherren-Mönche Schützenkönig. Das hat also Tradition. Und auch ich habe es schon mehrmals vergeblich versucht. Da wir in diesem Jahr unser 725. Klosterbestehen feiern, habe ich mir gesagt: So und nun probierst Du es auch noch einmal. Und es hat geklappt.“
Ob der Liebe Gott da ein wenig nachgeholfen hat? „Ich bin mir gar nicht sicher, ob sich Gott überhaupt für diesen weltlichen Brauch interessiert“, erklärt Bruder Dirk lachend. Der moderne Ordensmann hat sogar seinen eigenen, regelmäßigen Podcast. Titel: „Mensch trifft Mönch“.
Doch wie kam er überhaupt auf die Idee, ins Kloster zu gehen – eine christliche Lebensweise, die vom Aussterben bedroht ist? „Ich hatte schon als 13jähriger Junge das innere Gefühl, einen geistlichen Beruf ergreifen zu müssen. Ich war damals schon sehr aktiv im Gemeindeleben. Und das hat mit Spaß und Genugtuung beschert“
Klar war zu dem Zeitpunkt aber noch nicht, ob er Priester oder Ordensbruder werden wollte. Der Geistliche erinnert sich: „Ursprünglich hatte ich eigentlich geplant, ein Theologiestudium zu absolvieren, um danach den Beruf eines katholischen Priester zu ergreifen. Ich bin dann aber zunächst ins Kloster Ehrenstein in Asbach (Rheinland-Pfalz) gegangen und musste dort ein Jahr lang eine soziale Aufgabe in der DRK Kamillus Klinik für Multipler Sklerose erfüllen.“
Und diese Erfahrung war wie eine Offenbarung für den jungen Katholiken: „Die Arbeit mit den Kranken hat mich so ergriffen und erfüllt, dass ich nach dem sozialen Jahr eine Woche lang mit mir gekämpft habe: Sollst Du jetzt studieren oder gleich für die Menschen da sein? Ich habe mich dann gegen das Studium entschieden und eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht. Das war meine Berufung. Und ich habe diesen Entschluss nie bereut.“
Auch in seinem jetzigen Leben als Mönch in Beyerburg stehen die Menschen für Bruder Dirk im Mittelpunkt. Sein Credo: „Wie andere Briefmarken sammeln, sammele ich Menschen.“
In seinem Kloster hält er drei Fremdenzimmer bereit – für Jakobspilger, die hier Station machen, aber auch für Frauen und Männer, die seinen Beistand und seinen Trost brauchen. Bruder Dirk, der Seelsorger: „Es kommen viele junge Menschen zu mir, die große Probleme haben: In der Beziehung, mit Drogenkonsum, Depressionen, Burnout und auch Suizidgefährdete. Andere suchen den Sinn des Lebens.“
Der Gottesmann nimmt sich für seine „Sorgenkinder“ alle Zeit der Welt. Bruder Dirk: „Das wichtigste Gebot für einen Geistlichen ist: ‚Zweimal hinhören, nur einmal reden‘. Die meisten Pilger bleiben bei uns nur eine Nacht. Wenn ich aber spüre, das bei einem Gast im Leben gerade etwas schief läuft, überzeuge ich ihn davon, länger zu bleiben, um ihm zu helfen, um ihm Mut zu machen und Hoffnung geben.“ In mindesten drei Fällen konnte der sozial engagierte Mönch mit dem großen Einfühlungsvermögen lange geplante Selbstmorde verhindern.
Stolz ist der sympathische Kirchenmann auf seinen Ring-Freundeskreis, den er vor zwei Jahren gegründet hat. Bruder Dirk: „Ihm gehören inzwischen 19 Frauen und Männer aus ganz Deutschland an. Wir tragen alle den gleichen Christusring, obwohl gar nicht alle Christen sind. Bei uns gibt es Katholiken, Protestanten, Buddhisten, Agnostiker und Philosophen. Wir tauschen uns regelmäßig auf einer spirituellen, philosophischen Ebene aus. Wir streben nach dem gemeinsamen Gut, nach dem etwas Mehr.“
Die Entwicklung der katholischen Kirche sieht er mit großer Sorge. Die Gründe dafür, dass Tausende der Kirche den Rücken kehren, sieht er nicht allein in der zögerlichen und zum Teil undurchsichtigen Aufarbeitung der vielen sexuellen Missbrauchsfälle. „Das spielt sicher ein eine große Rolle. Aber die die Menschen sind über die Jahrhunderte auch zu sehr bevormundet worden. Man hat zu viel über Verbote und Strafen gepredigt und zu wenig über Liebe und Barmherzigkeit. Denn darum geht es ja eigentlich in der Lehre Christi. Die Menschen können doch nachdenken. Von Verboten und Strafen ist in der Heiligen Schrift nicht viel zu lesen“, hat Bruder Dirk eine klare Meinung.
Doch die Hoffnung stirbt auch für Bruder Dirk zuletzt: „Es ist sicher schwierig, eine solch große Institution wie die Kirche in Bewegung zu setzen. Wenn unsere Botschaft aber lauten würde: Mehr Liebe und wenn diese Botschaft auch authentisch vorgelebt würde, dann hätte die Kirche noch eine Chance. So wie es Pater Stobbe in Langerfeld vorbildlich macht: Mit 88 Jahren ist er noch Tag für Tag bei der Lebensmittelausgabe für Bedürftige und bei Schulaufgabenhilfe aktiv. Viele Priester, die eigentlich guten Willens sind, werden heutzutage von ihren immensen Verwaltungsaufgaben förmlich kaltgestellt und von ihrer eigentlichen Aufgabe als Seelsorger abgehalten. Dabei hat Jesus doch selbst gesagt: Man kann nicht Gott und dem Mammon dienen.“
Weihnachten hat für Bruder Dirk eine andere Bedeutung als für die meisten Christen: „Mit dem üblichen Weihnachtsgedanken habe ich nichts zu tun. Für mich ist Weihnachten der Beginn der Erlösung, die am Karfreitag und am Ostertag endet. Deshalb gibt es in der Weihnachtskrippe in unserer Klosterkirche auch eine Dornenkrone, die das Ende der Erlösung symbolisiert.“
Und jetzt spricht einmal der Gottesmann aus dem sonst so weltoffenen Ordensbruder: „Erlösung bedeutet, dass Gottes Liebe Mensch wird, damit wir Menschen werden können. Jesus hat uns gezeigt, was es heißt, aus der Liebe zu leben, um so die Welt zu verändern und Frieden zu bringen. Das ist unser Auftrag. Wenn Jesus sagt: Das Reich Gottes ist mitten unter Euch, dann bedeutet das für mich: Ihr müsst es nur tun. Authentisch gelebte Liebe, schon das allein kann uns das Himmelreich auf Erden bescheren. Das ist meine volle Überzeugung.“ Weise Worte eines überzeugten Christen.
Heiligabend und am 1. Weihnachtstag wird der Beyenburger Mönch seine beiden Brüder in Essen und Schwelm besuchen. So wie jedes Jahr. Den Rest der Zeit will der Seelsorger in seiner Klosterkirche St. Maria Magdalena verbringen: „Ich habe ja die Hoffnung, dort wieder einige junge Menschen zu treffen, die ich für unsere weltliche Ringbruderschaft gewinnen kann. Das sind fast alles ehemalige Jakobsweg-Pilger und inzwischen meine besten Freunde. Wir haben sogar schon unsere eigene Webseite http://www.herzprofile.de.“
Was wünscht sich Bruder Dirk für das Jahr 2025: „Frieden und mehr Zufriedenheit!“ Fromme Wünsche eines weltoffenen, sympathischen und glaubwürdigen Gottesmannes. Mögen sie in Erfüllung gehen! So sicher wie das Amen in der Kirche: Mehr Menschen und Mönche wie Bruder Dirk würden den christlichen Religionsgemeinschachten sicher mehr Schäfchen bringen.
Text Peter Pionke
Link zum Podcast „Mensch trifft Mönch“
https://www.podcast.de/podcast/3350018/mensch-trifft-moench
Link zur Webseite „Herzprofile“
Link zur Webseite des Fördervereins Kloster Beyenburg:
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