26. Dezember 2024

Der Wuppertaler SV bewegt sich auf ganz dünnem Eis

Es sind schon sehr gemischte Gefühle, die man beim Wuppertaler SV zum Jahreswechsel spürt. Der Traditionsverein beendet das Jahr nach dem Tod von Haupt-Sponsor Friedhelm Runge († 85) mit vielen, die Zukunft betreffenden offenen Fragen.

Zuletzt ein erfolgreiches Doppel: Sportdirektor Gaetano Manno (l.) und Cheftrainer Sebastian Tyrala – © Archivfoto Jochen Classen

Während die laufende Saison durch Friedhelm Runges Familienunternehmen EMKA noch abgesichert ist, hängen die notwendigen Planungen für die nächste Spielzeit 2025/26 noch weitgehend in der Luft. Ja, man bewegt sich auf sehr dünnem Eis.

Noch zu seinen Lebzeiten hatte Friedhelm Runge für den „Verein seines Herzens“ Weichen für die Zeit „danach“ gestellt, als er ab der laufenden Saison sein Budget halbierte. Ihm hatte es offenkundig missfallen, dass sich aus der Finanzwelt niemand bereit fand, den WSV finanziell unter die Arme zu greifen.“

Was glaubst du, wer das heute wieder alles bezahlt“, fragte er noch vor Jahresfrist vielsagend unseren Chronisten“. Er wollte noch rechtzeitig wachrütteln, der Verein sollte sich nicht nur auf ihn verlassen, mehr Eigeninitiative entwickeln, lernen, auf eignen Füssen zu stehen, so der Eindruck. Die Auswirkungen dieses „Feldexperiments“ sind noch offen, das Ende mit seinen ganzen Auswirkungen bei weitem nicht überschaubar.

Eine Analyse von SIEGFRIED JÄHNE

Die ersten Fakten liegen nach der Hinrunde auf dem Tisch. Die meisten Akteure konnten oder wollten Gehaltskürzung nicht akzeptieren, sie verließen den Verein. 20 neue Spieler wurden geholt, das  mit 29 Kickern völlig neu formierte, mit Aufstiegsambitionen in die neue Saison gegangene Team, legte einen klassischen Fehlstart hin und geriet schon früh in Abstiegsgefahr.

War ein Macher: Der Unternehmer und ehemalige WSV-Präsident Friedhelm Runge († 85) – © Foto: Dirk Sengotta

Der für die Zusammenstellung des Kaders verantwortliche, engagierte Sport-Direktor Gaetano Manno (42) zog mit der Entlassung von Trainer Rene Klingbeil die Reißleine. Er übernahm kurzfristig sogar selbst die Trainingsleitung, wurde aber am Tiefpunkt der Entwicklung nach dem frühen Pokal-Aus in Oberhausen (0:3) sogar ausgepfiffen. Glücklicherweise bewies Gaetano Manno mit der Installation von Sebastian Tyrala (36) doch noch das richtige Händchen. Ein echter Glückgriff: Mit dem neuen Cheftrainer kam der sportliche Erfolg zurück.

Gespräch mit EMKA noch nach Runges Vorstellungen?

Das für die Finanzen zuständige Vorstandsmitglied Dr. Jochen Leonhardt wollte und konnte sich zum jetzigen Zeitpunkt zu Zukunftsfragen noch nicht äußern. Nur soviel: Mit seinem langjährigen Weggefährten Friedhelm Runge war zu dessen Lebzeiten vereinbart, über die nächste Spielzeit 2025/26 Anfang Januar zu sprechen.

Dieses Gespräch mit der Firma EMKA, bzw. deren Inhabern, der Familie Runge, wird tatsächlich im Januar 2025 mit offenem Ende stattfinden. Vom Ergebnis dieses Gesprächs könnte abhängen, ob Wuppertal auch in Zukunft noch einen höherklassigen Fußball-Verein haben wird.

WSV-Sportdirektor Gaetano Mann hatte als Interimstrainer Gesprächsbedarf mit dem Schiedsrichtergespann -© Archivfoto Jochen Classen

Es sei denn, der seit März 2024 für Marketing sowie Sponsoring und Vertrieb zuständige Vorstand Marwin Klotzkowsky (30) könnte urplötzlich noch neue Geldquellen erschließen. Er sprach bei Amtsantritt von einem Fünfjahresplan, mit dem der Aufstieg in Liga drei möglich sein könnte. „Wir alle können mit den bisherigen Ergebnissen trotz aller erkennbarer Aktivitäten nicht zufrieden sein, da gibt es noch viele Baustellen“, erklärte er uns jetzt.

Auch wenn er soeben wieder einen ungenannten Sponsor aus dem Raum Köln gewinnen konnte, gibt er sich keinen Illusionen hin. „Alle Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden uns erst in naher Zukunft erreichen“, sieht er die Chancen und Risiken realistisch. Hinzu komme, dass die Mitarbeit im Verein nach seiner Einschätzung noch verbesserungsfähig und die Erwartungshaltung insgesamt zu hoch sei.

„Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden uns erreichen“

Derweil rüstet sich die sportliche Abteilung für die am 25. Januar startende Rückrunde, die der WSV ausgerechnet in Oberhausen fortsetzt. In einem von Sponsoren und in Teilen von den Spielern selbst finanzierten Trainingslager vom 13. bis zum 19. Januar geht es zum Winter-Trainingslager ins türkische Side. Der Kader soll und muss reduziert werden. Von Spielern, die die Erwartungen nicht erfüllt haben, muss man sich trennen, ohne bei ihnen offiziell allein schon aus verkaufstaktischen Gründen von „Fehleinkäufen“ zu sprechen.

Soll inoffiziell als Streichkandidat gelten: Oguzhan Kefkir (blaues Trikot) – © Archivfoto Jochen Classen

„Wir sprechen aktuell mit fünf Spielern über deren Zukunft. Das sind offene Gespräche. Es heißt nicht, dass alle fünf gehen müssen. Sie haben auch Verträge. Aber wir müssen schauen, welcher Weg für beide – dem Spieler und dem Wuppertaler SV – der Beste ist“, erklärte Trainer Sebastian Tyrala dem Sport-Magazin „RevierSport“.

Kapitän Niklas Dams hat dann auch seinen Vertrag inzwischen aufgelöst. Auch der junge Nachwuchsspieler Berkem Kurt verlässt den Verein, er hatte bei den WSV-Profis nur einen Einsatz über zwölf Spielminuten. So dass die Kadergröße schon einmal von 29 auf 27 Spieler reduziert wurde.

Wer sich über die große Anzahl der Spieler wundert, muss wissen, dass die Ausleihen der Spieler Benedikt Wimmer und Yousef Qashi von der U23 des FC Bayern München in erkennbarer Not kurzfristig erfolgten und nicht mit nennenswerten Kosten verbunden sind, da der Bundesliga-Club Interesse daran hat, dass seine Nachwuchsspieler Spielpraxis auf möglichst hohem Niveau bekommen.

„Es gibt noch Streich-Kandiaten“

Nach „RevierSport“-Informationen gehören auch gestandene Profis wie Oguzhan Kefkir und Marco Terrazzino noch zu den Streichkandidaten. Beide blieben bis dato hinter den sportlichen Erwartungen zurück. Zudem könnten Talente wie Kilian Bielitza oder Shinnosuke Nishi ausgeliehen werden.

Wenn nicht noch Überraschungen kommen, rechnet Sportdirektor Gaetano Manno jetzt mit 20 Feldspielern und drei Torwächtern, weil es inzwischen Verletzte gibt, die längerfristig ausfallen. Die Zugänge Muhammed Bejdic (Kreuzbandabriss) und der 23jährige Argentinier Pedro Cejas (Erkrankung der Bauchspeicheldrüse) fallen noch für einige Monate aus.

Soll inoffiziell als Streichkandidat gelten: Co-Kapitän Marco Terrazzino – © Archivfoto Jochen Classen

Offen ist auch die Personalie Gaetano Manno selbst. Über Vertragsinhalte spreche man nicht, hatte Pressesprecher Max Schleicher noch vor drei Wochen, bis dahin nachvollziehbar bei einer offiziellen Pressekonferenz des Vereins gesagt.  Doch dann lüftete Sportdirektor Gaetano Manno einige Tage später in einem speziellen Podcast der Westdeutschen Zeitung, dem „Premium und Medienpartner“, bereitwillig selbst das „Geheimnis“:

Der von EMKA finanzierte Vertrag laufe noch bis zum Saisonende. Er sei mit ganzem Herzen für den WSV tätig und wolle  auch in Zukunft für seinen Verein arbeiten. Um aber die neue Saison optimal vorbereiten zu können, bedürfe es bereits jetzt klarer Ansagen, nach denen sich Spieler und Trainer ausrichten könnten. Er wolle einen kontinuierlichen Neuaufbau und nicht wieder mit 20 neuen Spielern beginnen. Klare Worte!

„Am Ende des Tages zählen immer nur Ergebnisse“

Die zuletzt gewonnenen drei Spiele ohne Gegentor geben der Hoffnung Raum, dass das Saisonziel „Klassenerhalt“ mit möglichst einstelligem Tabellenplatz doch noch erreicht werden kann. Mit dem neuen Trainer Sebastian Tyrala (36) kam der Erfolg zurück.

„Mein Vertrag läuft am Saisonende aus. Ich denke, dass wir über meine Zukunft im Februar oder März sprechen werden. Bis dahin will ich zeigen, dass ich der richtige Mann am richtigen Ort bin. Am Ende des Tages geht es in diesem Geschäft immer um Ergebnisse“, erklärte der Fußballlehrer gegenüber dem „RevierSport“.

Marwin Klotzkowsky, Verwaltungsratsmitglied, Heimo Schitter, Bausachverständiger, Dr. Jochen Leonhardt,  WSV-Finanz-Vorstand (v.l.) – © Archivfoto Siegfried Jähne

Auffällig ist, das viele, oft geschönte Informationen um das Team und den Verein oft breit gestreut zu finden sind, auch oder teilweise nur in überregionalen Medien. Eine Zeiterscheinung der heutigen, sich verändernden Medienwelt, die dann oft ohne die notwendige kritische Reflexion der tatsächlichen Gegebenheiten oberflächlich daher kommt?

Welche Auswirkungen eine Kommunikationspolitik haben kann oder muss, die sich dem Verständnis von Kommunikation und Öffentlichkeit durch Einseitigkeit entzieht, wird sich noch zeigen. Ob es da trotz breit angelegter Berichterstattung auch Zusammenhänge zum nachlassenden Zuschauerinteresse gibt, ist nicht ganz sicher.

Wissenschaftliche Erfahrungen und Auswertungen mit Massenmedien sprechen da aber schon eher eine deutliche Sprache. Soviel ist aber auch sicher, für den sportlichen Erfolg gibt es keinen Ersatz. Und: Trainer, Spieler, erst recht aber die Zuschauer, kommen oder gehen…

Text: Siegfried Jähne

 

 

 

 

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