19. Februar 2025

Deutschlands Krankenhäuser hängen am Tropf

„Alarm im Krankenhaus“! Das deutsche Gesundheitssystem hängt am Tropf. Es krankt an allen Ecken und Enden. Das wurde den Gästen der renommierten Essener Netzwerkveranstaltung „STADTGESPRÄCHE.ruhr“ einmal mehr vor Augen geführt.

Moderator Jürgen Zurheide (M.) beim Talk mit Ingo Morell (r.) und Dr. Dirk Albrecht – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Mehr als zwei Drittel (80 %) der deutschen Krankenhäuser schreibt derzeit rote Zahlen. Die durchschnittlichen Jahreserlöse der Kliniken sind auf magere 0,8 Prozent geschrumpft und das bei Kostensteigerungen von 13 Prozent.

Ingo Morell, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft und  Geschäftsführer der Maria-Theresia-Bonzel-Stiftung Olpe, sowie Dr. Dirk Albrecht – Geschäftsführer der  Contilia-Gruppe, konnten als kompetente Impulsgäste im Interview mit dem souveränen Moderator Jürgen Zurheide ein Lied davon singen. Auf Noch-Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach waren beide nicht gut zu sprechen. „Der hat sich nicht ein einziges Mal mit uns unterhalten“, erklärten beide unisono.

Strukturwandel ohne Unterstützung

Dass sich der sonst so wortreiche Politiker noch nicht einmal die Zeit genommen hat, mit dem Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu reden, machte die hochinteressierten Zuhörer der Veranstaltung schier sprachlos. Die „STADTGESPRÄCHE.ruhr“ fanden diesmal im edlen Event-Loft des Logistik- und Service-Unternehmens PP Group in Essen-Vogelheim statt.

Beide Protagonisten waren sich einig, dass sich auch mit Sicht auf den Demografiewandel im Gesundheitswesen Strukturen verändert und die Kernkompetenz an weniger Kliniken gebündelt werden müssen.

Der Vorwurf an die Politik, so Ingo Morell: „Beim Strukturwandel im Bergbau ist der Staat mit finanziellen Mittel eingesprungen. Beim Strukturwandel im Gesundheitswesen wird einfach nur abgewartet, welche Klinik überlebt und welche den Bach herunter gehen.“

Viel Applaus erntete die Konzertflötistin und Folkwang-Absolventin Heike Zehe – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Bei den Notfall- und Spezialbehandlungen sehen Ingo Morell und Dr. Dirk Albrecht Deutschland gut aufgestellt. Die Daseinsvorsorge auf dem Land beurteilen sie dagegen als großes Problem. Auch bei der Verweildauer der Patienten in den Kliniken und bei den Krankenhausfallzahlen, bei denen Deutschland Weltmeister ist, sehen die beiden Experten Einsparpotential.

Den Vorwurf, in Deutschland würde viel zu oft operiert, will Dr. Dirk Albrecht nicht so  im Raum stehen lassen: „Ich haben noch niemanden getroffen, der gesagt hat, ich bin völlig unnötig operiert worden.“

Pflege-Nachwuchs steht bereit

Einig sind sich Dr. Dirk Albrecht und Ingo Morell, dass ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund das Krankenhaus- sowie das Pflegesystem kollabieren würden. Noch werden 85 Prozent der Pflegebedürftigen zuhause von Familienmitgliedern betreut. Aber auch hier würde sich der Demografiewandel demnächst negativ niederschlagen. Erschwerend hinzu käme, dass die Zahl der Single-Haushalte stetig steigt.

Und eine Unterbringung in einem Pflegheim sei vielfach aufgrund des eklatanten Personalmangels auch keine Alternative. Im Gegenteil: Nicht selten müssten Alten- und Pflegeeinrichtungen geschlossen werden, weil das Personal fehle. „Dabei gäbe es genügend junge Menschen, die sich für den Beruf des Kranken- und Altenpfleger interessieren. Aber nur, wenn die Bezahlung angemessen wäre.“ Nach der Bundestagswahl sei die neue Regierung gefordert, die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und bei der Altenpflege nachhaltig zu verbessern.

Gruppenbild mit Dame: (v.l.) Ingo Morell, Dr. Richard Kiessler, Jürgen Zurheide. Eva Kiessler und Dr. Dirk Albrecht – © Claudia Posern / Fotostudio Essen

Ein spannendes Thema, das die Gäste der „STADTGESPRÄCHE.ruhr“ sichtlich berührte: Berührend war auch die musikalische Darbietung der Konzertflötistin und Folkwang-Absolventin Heike Zehe, die „STADTGESPRÄCHE.ruhr“-Gastgeber Dr. Richard Kiessler als ersten klassischen Musik-Part des Abends ansagte. Den zweiten poppigen Beitrag lieferte der Medienunternehmer („Echopark“) und  Musiker Rüdiger Konetschny alias Rud van Conner mit seinem selbst kombinierten und produzierten Song: „Geh zur Wahl“. In diesen musikalischen Wahl-Aufruf stimmen wir nur zu gerne ein…

Text Peter Pionke

Link zur Webseite der „STADTGESPRÄCHE.ruhr“:

http://www.stadtgespräche.ruhr

 

 

 

 

 

 

 

 

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