23. März 2025

„Mephisto“: Schauspieler zwischen Karriere und Gewissen

„Mephisto“ ist in Goethes Faust die Figur des Teufels. Die Personifizierung des Bösen findet sich auch in dem gleichnamigen Roman von Klaus Mann (1936) wieder, der in einer Bühnenfassung jetzt vom Schauspiel Wuppertal sehenswert aufgeführt wurde.

Gefeiert wird der Höfgen Karrierestart, hier mit Höfgen (Konstatin Rickert) als Mephisto mit den Teufelshörnern. Stefan Waltz (links als Geheimrat Bruckner) reicht die Flasche – © Bjoern Hickmann

Als Vorbild der Romanfigur Hendrik Höfgen diente, darauf weisen alle Ausführungen hin, der Schauspieler Gustaf Gründgens. Die eindeutige Anlehnung und Zuordnung im Roman führte wegen Herabwürdigung zu einem höchstrichterlichen Verbreitungsverbot, welches darauf naturgemäß erst Recht Interesse weckte.

Kläger war Peter Gorski, der Adoptivsohn Gustav Gründgens. Allerdings ist der Roman in Deutschland trotz des noch gültigen Verbots längst veröffentlicht und vertrieben worden. Im Jahre 1956 erschien er im repräsentativen Verlag der DDR, im Ostberliner Aufbau-Verlag.

Klaus Mann selbst hatte sein Werk bereits vorher klassifiziert: „Es handelt sich um kein Portrait, sondern um einen symbolischen Typus“. Er wollte einen Schauspieler im Konflikt zwischen Karriere und Gewissen darstellen, hatte er gesagt.

Das Holz wird geschlagen. Dramaturgie-Effekt in dem sehenswerten Stück „Mephisto“ – © Bjoern Hickmann

Die reale Geschichte vor der Geschichte ist mindestens so spannend wie das Schauspiel selbst. Der Roman-Autor Klaus Mann porträtierte seine Figur im „Mephisto“ als rücksichtslosen Karrieristen. Es handelt von dem Karriereweg des Schauspielers Hendrik Höfgen (glänzend dargestellt von Konstantin Rickert ) vor und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

„Eine „Schmähschrift in Romanform“

Für das Verständnis des Schauspieles „Mephisto“ ist die Vorgeschichte nicht ganz unwichtig, erzählt sie doch sehr beeindruckend von den Zwängen, aber auch die Verlockungen des Dritten Reichs. Am Anfang stand im wirklichen Leben eine innige Freundschaft zwischen Autor Klaus Mann – Sohn von Nobelpreisträger (1929) Thomas Mann – und Schauspiel-Urgestein Gustaf Gründgens.

Klaus Mann war von dem begabten Bühnen-Darstellers Gustaf Gründgens tief beeindruckt. Er charakterisiert ihn als „charmant, einfallsreich, hinreißend, gefallsüchtig, glitzernd und sprühend vor Talent“.

Schauspielintendant und Schauspieler Thomas Braus in einer der drei Rollen, die er in „Mephisto“ verkörpert – © Bjoern Hickmann

Vater und Nobelpreisträger Thomas Mann war 1926 sogar Trauzeuge bei Gustaf Gründgens Eheschließung mit seiner Tochter, der Schauspielerin Erika Mann. Beide  kannten sich bei der Hochzeit einander weniger als ein Jahr. Man sprach dann später von einem „Ehe-Missverständnis“ und einer Heirat, um des Profits wegen.

Warnung vor homophiler, sexistischer Szene

Hinweise auf die innere Zerrissenheit der Romanfigur Hendrik Höfgen gaben in der Wuppertaler Version der französische, in Wien lebende Regisseur Nicolaus Charaux und Marie-Philine Pippert, die das Werk für die Wuppertaler Theaterbühne adaptiert haben. Und das mit einer starken homophilen, sexistischen Szene zwischen Höfken und seinem Geliebten Julian (Alexander Peiler).

Für diese Szene, in der „sexualisierte Gewalt“ dargestellt wurden, gab es schon in der Ankündigung einen Warnhinweis. In die gleiche Richtung ging auch ein Plakat bei einer Feier zu Höfkens Karriere-Start mit der Aufschrift „Gustaf, du geile Sau“, erkennbar eine Anspielung und die Anlehnung an den Schauspieler Gustaf Gründgens.

Alexander Peiler als Ministerpräsident (l.) reicht Hendrik Höfgen (Konstantin Rickert) die Hand. Rechts Thomas Braus – © Bjoern Hickmann

Von Eitelkeit, Egoismus und Wirkungssucht getrieben schauspielert sich Höfgen durchs Leben. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ändert sich das politische Klima in Deutschland drastisch. Höfgen, der sich zuvor als sozialistisch gesinnter Künstler positioniert hatte, beginnt, seine politischen Überzeugungen zu verbergen und sich dem neuen Regime anzupassen.

Abscheu gegenüber seinem Opportunismus

Er trägt innere Konflikte aus, doch sein unbändiger Karrierewille überwiegt. Er ist bereit, seine Ideale zu opfern, um beruflich voranzukommen. Barbara Bruckner (dargestellt von Luise Kinner) ist die zweite Ehefrau von Höfgen. Sie steht zwischen Loyalität zu ihrem Mann und Abscheu gegenüber seinem Opportunismus. Barbara ist eine tragische Figur, die die persönlichen Opfer von Höfgens Anpassung an das Regime verkörpert.

Und da ist der „Ministerpräsident“, eine Figur, die an Hermann Göring angelehnt und von Stefan Walz authentisch und überzeugend rübergebracht wird. Der Ministerpräsident ist einer der Hauptförderer von Höfgens Karriere im nationalsozialistischen Deutschland. Er ist ein mächtiger und einflussreicher Mann, der Höfgen als seinen Lieblingsschauspieler auserkoren hat.

Vor dem Kaffee-Automaten: (v.l.) Stefan Walz, Luise Kinner. Paula Schäfer und Thomas Braus – © Bjoern Hickmann

Durch seine Unterstützung erhält Höfgen prestigeträchtige Rollen und Positionen, doch dieser Schutz hat seinen Preis. „Mephisto“ läßt grüßen! Höfgen muss seine Überzeugungen und seine moralische Integrität aufgeben, um den Erwartungen des Ministerpräsidenten gerecht zu werden.

Man glaubt, Hermann Göring zu erkennen

Der psychische Druck und die moralischen Kompromisse fordern schließlich ihren Tribut. Höfgens Karriere, die auf Anpassung und Verrat aufgebaut ist, endet in persönlicher und moralischer Zerrüttung. Seine Lebensgeschichte steht als symbolisches Beispiel für die Verführungskraft des totalitären Regimes und die zerstörerischen Folgen der Kollaboration.

Gustaf Gründgens selbst hatte später gesagt, er sei kein politischer Mensch gewesen und habe stets versucht, die Kunst vor der Politik zu schützen. Dem Schauspiel Wuppertal ist es gelungen, diese zeithistorische Geschichte in 90 Minuten äußerst prägnant darzustellen. Die Schauspieler schlüpfen in mehrere Rollen, ohne dass man den Überblick verlieren könnte.

Hendrik Höfgen (Konstantin Rickert), Thomas Braus, Alexander Peiler und Paula Schäfer – © Bjoern Hickmann

Thomas Braus zeigt einmal mehr seine Vielseitigkeit und ist gleich dreimal vertreten, ähnlich wie Paula Schäfer. Für Bühne und Kostüme zeichnet Albert Frühstück verantwortlich. Ankerpunkt  des schlichten Bühnenbildes ist ein schlecht funktionierender Kaffee-Automat und ein Holzstapel, an denen sich die Akteure abwechselnd mit einem Beil betätigten. Hier hatte auch die Dramaturgin Marie-Philine Pippert ihren Anteil.

Gründgens: Selbstmord oder ein Versehen?

Die Neuentdeckung des Werkes von Klaus Mann in Deutschland fand erst viele Jahre nach seinem Tod statt. Klaus Mann starb im Mai 1949 an einer Überdosis Schlaftabletten. Gustaf Gründgens ging 63jährig mit seinem Lebensgefährten auf Weltreise und starb unterwegs in einem Hotel in der philippinischen Hauptstadt Manila. Selbstmord oder ein Versehen? Diese Frage konnte auch Klaus Mann nicht mehr klären.

Die Aufführung seines Werkes ist im Schauspiel Wuppertal noch am Sonntag (30.03.) ab 18 Uhr im Opernhaus (mit Publikumsgespräch im Anschluss) sowie im Mai 2025  geplant.

Text: SIEGFRIED JÄHNE

Link zur Webseite der Wuppertaler Bühnen: 

http://www.wuppertaler-buehnen.de

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