10. April 2025Peter Pionke
Matthias Dohmen: Auf großer Fahrt mit Heribert Istas

Volksschule, wie sie früher hieß. Sie lag mitten im Ort, genauer gesagt: auf der ehemaligen Dorfstraße von Rölsdorf, das schon lange in die Stadt Düren eingemeindet ist. Eine gepflasterte Straße, am Ortsausgang entweder nach Gey, Kleinhau, Großhau, später Vossenack und Hürtgenwald und in die Eifel führt oder nach Lendersdorf.
An der Chaussee Richtung Birgel lag (und liegt immer noch) das Haus, in dem mein Freund Heribert wohnte, dessen Vater Arzt war. „Der Doktor“ hieß das ja früher, als man, promoviert zu sein, und die Existenz als Allgemeinmediziner gleichsetzte. „Häbbät“, wie er im Plattdeutschen genannt wurde, hatte einen Bruder und zwei Schwestern. Die Mutter, Alice, war stark gehbehindert. Die Praxisräume, aber auch Küche und Wohnzimmer der Familie lagen ebenerdig.

An meine Eltern kann sich Heribert noch gut erinnern: die Mutter immer mit Schürze, zugewandt und lebhaft, der Vater „immer arbeitend“, mit und ohne Zollstock. Ein „kluger Mann“, wie Häbbät heute konstatiert, der gern mit Worten spielte. Die Werkswohnung, in der wir lebten, und die ganze Papierfabrik sind lange abgerissen und existieren nicht mehr.
Den lieben langen Tag verbrachten wir, wenn die schulischen Hausaufgaben erledigt waren, draußen. Und waren ständig unterwegs. In Erinnerung sind mir besonders eine Radfahrt nach Köln, die wir Schüler zu viert immerhin an einem Tag bewältigten, und, viel später, als Heribert und ich schon studierten, mit seinem Renault über die Romantische Straße. Würzburg, Tauberbischofsheim, Rothenburg ob der Tauber.
„Bruder Leichtfuß“ nannte der praktizierende Mediziner seinen jüngeren Sohn leicht ironisch. Seinen beruflichen Weg hat Heribert auf Umwegen absolviert. In Pension ging er als Rektor einer Förderschule. Seine beiden Söhne sind mittlerweile über 40. Lange schon geschieden, ist er vor ein paar Jahren eine neue Beziehung eingegangen.

Düren war immer groß im Fußball, immerhin schoss ein Weltklassespieler wie Karl-Heinz Schnellinger seine ersten Tore für Düren 99, bevor er nach Köln und später Italien verpflichtet wurde. Neben dem Stadion, in dem Schwarzweiß Düren auflief, kampierten über den Winter Sinti und Roma. Diese „Zigeuner“ versorgte der Dr. med. Wilhelm Istas und nahm dazu ab und an einen seiner Söhne mit.
Krankenscheine hatte das fahrende Volk keine, aber für den gläubigen Katholiken war es so selbstverständlich, seine Heilkunst einer verrufenen Minderheit zukommen zu lassen, wie es für ihn keine Frage war, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen und als Geburtshelfer rund um die Uhr, wenn das Telefon klingelte, auszurücken. Er hat neben seinem Beruf gemalt und sich mit Geschichte befasst. Zu meiner großen Bibliothek gehört ein Buch von Werner Finck aus Wilhelm Istas‘ Beständen, das mir seine Tochter Veronika verehrt hat.

Es wäre noch viel zu erzählen vom Schulrektor Schröder, der sich nicht zu schade war, einem Erstklässler einen Schuh zuzubinden, oder dem Lehrer Roßbach, der gerne zuschlug, wie es damals, in den 1950er-Jahren, nicht ungewöhnlich war.
Oder von dem Wappen der Familie mit dem wallonischen Hahn, der auf die Herkunft hindeutet (Istace), dem Stechhelm, dem Äskulapstab undd dem Hirschkopf mit Kreuz, Symbol des heiligen Eustachius, dem Namensgeber (Eustache – Istace – Istas). Ein anderes Mal.
Dr. Matthias Dohmen
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